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Offener Brief zum Mieterstrom
Initiative von Haus & Grund, IVD, BFW und GdW
27.10.2022 In GE [21] 2022, 1080 wurde auf den offenen Brief von Haus & Grund, IVD, BFW und GdW an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hingewiesen. Hier können Sie das Schreiben als pdf herunterladen oder den Text kopieren und weiterverarbeiten.
An Herrn
Dr. Robert Habeck MdB
Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Stellvertreter des Bundeskanzlers Scharnhorststraße 34-37
10115 Berlin


Offener Brief zum Mieterstrom


Sehr geehrter Herr Bundesminister, verehrter Herr Dr. Habeck,

der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns in eine neue Zeit katapultiert. Bundeskanzler Scholz hat von einer "Zeitenwende" gesprochen. Diese "Zeitenwende" gilt auch für die Energiepolitik. Waren bisher Preisstabilität und Versorgungssicherheit langfristig mit den Zielen des Klimaschutzes in Einklang zu bringen, geht es jetzt um die akute Sicherung der Grundversorgung für Haushalte und Betriebe mit Energie. Es geht Jahr für Jahr um jede Kilowattstunde.

Die Aufgabe, die Krise unter Wahrung der Versorgungssicherheit und der Klimaschutzziele zu überwinden, fordert uns alle in noch unbekannter Dimension. Deshalb gilt: Es wäre fahrlässig, auch nur einen innovativen Schritt nicht zu gehen, der uns zur Verfügung steht. Daher fordern wir den Gesetzgeber und die Bundesregierung nachdrücklich auf, umgehend einen Regelungsrahmen für das Konzept des "Mieterstroms" zu erlassen, der diesem zu einem Erfolg wie im selbstgenutzten Eigenheim verhilft. Es geht um die radikale Vereinfachung der direkten Verwendung von lokal erzeugtem erneuerbaren Strom im Mietwohnungsbereich insgesamt – für Mieterstrom, Wärmepumpen, Hausbedarfsstrom und Elektromobilität.

"Mieterstrom" soll den im Wohnquartier erzeugten Photovoltaik-Strom (PV-Strom) ohne Umwege zum Mieter oder Eigentürmer bringen. Mieterstromangebote von Wohnungsanbietern dürfen nicht bundesweit tätigen Energielieferanten gleichgestellt werden. Der regulatorische und prozessuale Aufwand für Netzanschlüsse, Einspeisevergütungen, Messstellenbetrieb und Marktkommunikationsprozesse muss radikal vereinfacht werden – Wohnungsunternehmen und private Eigentümer wollen für ihre Mieterinnen und Mieter kostengünstige und nachhaltige Energie bereitstellen. In Verbindung mit Wärmepumpen kann hierdurch sogar lokal Wärme erzeugt werden. Wir sprechen also von nachhaltiger Energie, die dezentral auch die Stabilität unserer Energieinfrastruktur stärkt. Die aktuelle Krisensituation zeigt uns eindringlich, wie bedeutend dies ist. Für den "Mieterstrom" muss daher jetzt der folgende Rahmen geschaffen werden:
Mieter und Wohnungseigentümer, die zusammen in einem Mehrfamilienhaus leben, müssen individuellen Eigenversorgern gesetzlich gleichgestellt werden, und zwar auch dann, wenn die Anlage von einem Dritten betrieben wird.
- Der gebäudenah erzeugte Strom aus erneuerbarer Energie (EE) hat im Gebäude Vorrang vor anderen Versorgungslösungen mit Strom.
- Der gebäudenah erzeugte Strom aus EE wird im Rahmen der Betriebskostenabrechnung durch den Gebäudeeigentümer oder einen durch ihn beauftragten Dritten als Mieterstrom, Hausstrom und Strom zur Wärmebereitstellung (WP) abgerechnet.
- Für den aus der lokalen EE-Anlage gelieferten Strom wird ein angemessener Preis gebildet, der die Refinanzierung der EE-Anlage, deren Betrieb und die Verteilkosten abdeckt. Zur vollen Transparenz der Preisbildung verpflichten wir uns.
- Energienetzseitige Aufschläge und Umlagen werden innerhalb des Quartiers nicht erhoben.
- Es ist förderseitig ggf. ein Investitionszuschuss für Zähler- und Abrechnungssysteme zu gewähren.
- Die notwendigen Messdaten für den Energienetzbetrieb werden bereitgestellt.
- Der Überschussstrom wird eingespeist.
- Die fehlenden Strommengen werden über klassische Energielieferverträge sichergestellt.
- Der mit dem Jahressteuergesetz 2022 vorgesehene umsatzsteuerliche Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen muss vollumfänglich auch für die Wohnungswirtschaft zur Anwendung kommen.

Für andere Situationen der urbanen PV-Stromerzeugung sollten auch Modelle des Energy Sharing, also der nachbarschaftlichen Direktversorgung mit lokalem erneuerbarem Strom, ermöglicht werden. Hier sollten nur die Netzentgelte angesetzt werden, die der Nutzung entsprechen – in der Regel die der untersten Netzebene.

Die gewerbesteuerliche Infizierung der Vermietungserträge durch lokale Stromerzeugung muss vollumfänglich beseitigt werden. Die neue gewerbesteuerliche 10 %-Grenze ist zwar ein richtiger Schritt nach vorn. Das hilft jedoch nicht weiter, weil sie die umfassende Umsetzbarkeit von Mieterstrommodellen willkürlich begrenzt. Die gewerbesteuerliche 10 %-Grenze ist damit eine Investitionsbremse für den Klimaschutz. Diese Bremse muss gelöst werden. Auf den Umfang der Stromerzeugung darf es gewerbesteuerlich in Bezug auf die Mieteinnahmen nicht ankommen.

Bisher sind bereits gesetzliche Verbesserungen beim Mieterstrom vorgenommen worden. Am Ende ist aber nicht nur eine Verbesserung der Bedingungen für Mieterstrom nötig, sondern eine radikale Neuordnung der lokalen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und eine Konvergenz der Systeme Wärme, Strom und Mobilität. Die Vorteile von Mieterstrom bzw. des lokalen PV-Stroms müssen dabei dem in die PV-Anlage Investierenden zugeordnet sein.

Wir rufen den Gesetzgeber und die Bundesregierung eindringlich auf, unmittelbar die notwendigen Schritte einzuleiten, um mit dem "Mieterstrom" einen Baustein für den Weg aus der Krise zu legen. Zur Erreichung der oben genannten Rahmenbedingungen sind folgende zentrale Rechtsgrundlagen zu schaffen:

- Eine Stromkostenverordnung, die die Verteilung der Kosten der lokalen EE-Stromerzeugung im Rahmen der Betriebskosten regelt,
- kein oder vermindertes Netzentgelt bei Durchleitung von lokalem EE-Strom innerhalb des Quartiers,
- Novellierung des GewStG mit Streichung der 10 %-Grenze.

Für Gespräche hierüber stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


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