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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Billigung von baulichen Veränderungen
Beschlusskompetenzen der Wohnungseigentümer
04.09.2020 (GE 15/2020, S. 967) Eigenmächtige bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums können mit der Maßgabe genehmigt werden, dass der die Veränderung vornehmende Wohnungseigentümer auch die Folgekosten der Maßnahme trägt.
Der Fall: Die Parteien sind Mitglieder einer WEG. 2012 gestatteten die Wohnungseigentümer den Eigentümern durch Beschluss, an ihren Fenstern und Türen hofseitig fach- und sachgerecht Jalousien, Lamellen und feste Verschattungen zu installieren. Im September 2013 ließen die Beklagten jeweils an der Stahlbaukonstruktion der Hofseite ihrer Wohnungen Außenjalousien anbringen. Das AG hat die auf Beseitigung der Jalousien gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit dem ersten Revisionsurteil vom 20. Juli 2018 (GE 2018, 1065) hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Während des neuen Berufungsverfahrens fassten die Wohnungseigentümer am 28. September 2018 den Beschluss, allen Wohnungseigentümern zu gestatten, an die hofseitigen und südwärts vorgelagerten Fassaden- und Balkonkonstruktion Verschattungsanlagen fachmännisch anzubringen. Die Einbau- und eventuellen Folgekosten sollten die Eigentümer der jeweiligen Wohneinheit mit installierten Verschattungen selbst tragen und die Haftung für auftretende Schäden und deren Beseitigung übernehmen, sofern die Gebäudeversicherung das nicht abdecke. Im erneuten Berufungsverfahren verfolgten die Kläger ihre bisherigen Anträge weiter und beantragten hilfsweise die Beseitigung der angebrachten Jalousien. Das LG hat die Berufung erneut zurück- und die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Anträge abgewiesen. Dagegen zugelassene, aber erfolglose Revision.

Das Urteil: Die mit den Hauptanträgen geltend gemachten Ansprüche auf vollständige Beseitigung der Verschattungsanlagen bestehen nicht. Dem steht schon der Eigentümerbeschluss vom 28. September 2018 entgegen, wonach die Kläger die bereits angebrachten Verschattungsanlagen zu dulden haben. Der Beseitigungsanspruch entfällt also schon wegen der Beschlusslage der Gemeinschaft. Aufgrund der in dem Beschluss vom 28. September 2018 enthaltenen Genehmigung der vorhandenen Verschattungsanlagen sind die Beklagten berechtigt, das gemeinschaftliche Eigentum hierfür mitzubenutzen. Ihre Berechtigung zur entsprechenden Mitbenutzung des gemeinschaftlichen Eigentums entspricht einer Verpflichtung der Kläger, diese Mitbenutzung zu dulden. Mit dem genannten Beschluss wurden die vorgenommenen baulichen Veränderungen nachträglich genehmigt, womit ein Beseitigungsanspruch ausgeschlossen ist. Der nachträglichen Genehmigung steht nicht entgegen, dass die Verschattungsanlagen teilweise bereits angebracht waren. Entscheidend für die Zulässigkeit der Anbringung sollte nicht der Zeitpunkt der Anbringung sein, sondern das Einhalten der in dem Beschluss näher dargelegten Maßgaben, insbesondere die Tragung der entstehenden Einbau- und Folgekosten sowie die Haftungsübernahme für eventuell auftretende Schäden.
Es fehlt auch nicht an der Regelungskompetenz der Wohnungseigentümer hinsichtlich dieser Kostenverteilung. Auch wenn § 16 Abs. 4 WEG hinsichtlich der möglichen Kostenregelungen einschränkend auf Einzelfälle auszulegen ist, kommt dessen Anwendung hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Kostenübernahme durch die Gemeinschaft handelt. Vielmehr entstehen der Gemeinschaft überhaupt keine Kosten, die zu verteilen wären. Zutreffend verneint das LG auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche der Kläger auf Beseitigung oder Veränderung der angebrachten Jalousien. Aufgrund des Eigentümerbeschlusses vom 28. September 2018 sind die Kläger zur Duldung der angebrachten Verschattungsanlagen verpflichtet. Der Antrag auf teilweise Beseitigung ist lediglich ein Minus zur vollständigen Beseitigung und geht in dem Hauptantrag auf.

Anmerkung: Von Bedeutung ist vor allem die Auslegung des § 16 Abs. 4 WEG hinsichtlich der Übernahme von Folgekosten einer baulichen Veränderung, wenn diese durch Mehrheitsbeschluss genehmigt wird. Bisher hat der BGH betont, dass im Rahmen dieser Vorschrift eine abstrakte Kostenregelung für künftige Maßnahmen keinen Einzelfall darstellt und deshalb unzulässig ist. Offen gelassen hat der BGH bislang, ob die Wohnungseigentümer bei einer konkreten Maßnahme nicht nur über die Kosten der baulichen Veränderung selbst, sondern auch die sich darüber hinaus etwa ergebenden Folgekosten beschließen können (GE 2017, 305). Diese Frage bedarf aber im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die Wohnungseigentümer haben nämlich keine Änderung der Kostenverteilung beschlossen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um Kosten der Gemeinschaft für die Durchführung von Maßnahmen, für die die Gemeinschaft Kosten aufzuwenden hat, die eigentlich nach dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten oder hilfsweise nach dem gesetzlichen Maßstab (§ 16 Abs. 2 WEG) verteilt werden müssen. Denn hier haben die Wohnungseigentümer nur von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, der Vornahme einer baulichen Veränderung durch einzelne Wohnungseigentümer selbst unter bestimmten Maßgaben zuzustimmen. Ob der Eigentümer von einer solchen Gestattung Gebrauch macht, bleibt ihm überlassen. Entscheidet er sich hierfür, fallen nur ihm auch die entsprechenden Kosten zur Last. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstehen daher insoweit überhaupt keine Kosten, die noch zu verteilen wären. Dies gilt auch bei einer nachträglichen Genehmigung von baulichen Veränderungen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 997 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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