Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Zwei Jahre lang Staub und Lärm von Nachbarbaustellen
Kein Minderungsrecht des Mieters
20.02.2023 (GE 1/2023, S. 20) Nach Auffassung des BGH berechtigt nicht jede Beeinträchtigung durch eine Baustelle in der Nachbarschaft den Mieter zur Minderung; vielmehr ist eine umfassende Abwägung aller Umstände erforderlich, die auch die Interessen des Vermieters berücksichtigt. Dem folgt das AG Charlottenburg.
Der Fall: In der Nachbarschaft wurden zwei Jahre lang Sanierungsarbeiten mit Aufstellen eines Baugerüsts und eines Baukrans durchgeführt, die Gebäude wurden abschnittsweise entkernt; das Dach wurde abgerissen und aufgestockt. Stahlträger wurden in den Boden eingebracht. Die Mieter beriefen sich auf eine Mietminderung.

Das Urteil: Nach Zeugenvernehmung wies das AG Charlottenburg die Klage ab. Es liege keine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung vor, wonach die Wohnung von Baulärm frei sein solle. In einer Großstadt könne das regelmäßig nicht angenommen werden. Ob ein Mietmangel vorliege, sei nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu beurteilen, wobei eine Minderung dann ausscheide, wenn der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten hinnehmen musste. Nach der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass die Immissionen als wesentlich i.S.d. § 906 BGB anzusehen seien und deshalb ein Ausgleichsanspruch des Vermieters entfalle. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei ein Mangel zu verneinen.

Anmerkung: Die Rechtsprechung zum Baustellenlärm (GE 2020, 865) wird vielfach kritisiert (z. B. Eisenschmid, jurisPR-MietR 15/2020 Anm. 2), vom BGH jedoch auch kürzlich bestätigt (GE 2022, 93). Mietminderungsansprüche kommen damit nur noch in Extremfällen in Betracht, sofern die Instanzgerichte dem BGH folgen. Abweichend etwa AG Hamburg-Sankt Georg (ZMR 2022, 313) und das Kammergericht (GE 2020, 1429). Unklar ist auch der Hinweis des BGH auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, etwa zur Überprüfung, ob die Vorschriften zum Schutz gegen Baulärm eingehalten sind. Nach Abschluss der Bauarbeiten ist das kaum möglich (AG Hamburg-Sankt Georg, ZMR 2022, 313).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 48 und in unserer Datenbank.


Links: