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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Grundstückskauf mit Rechtsmängeln: Auch bei Geringfügigkeit volles Zurückbehaltungsrecht
Einrede des nicht erfüllten Vertrages
02.02.2023 (GE 24/2022, S. 1292) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages führt zu einem Zurückbehaltungsrecht. Bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete kann es nicht in unbegrenzter Höhe auf unbegrenzte Zeit ausgeübt werden. Anders ist es im Kaufrecht; hier darf auch bei geringfügigen Mängeln der Käufer den vollen Kaufpreis zunächst zurückhalten.
Der Fall: Der Kläger, der zu dem Zeitpunkt noch nicht als Eigentümer eingetragen war, verkaufte das Grundstück unter Abtretung seines Auflassungsanspruchs; im notariellen Kaufvertrag hieß es, dass die in Abteilung II und III eingetragenen Belastungen vom Käufer nicht zu übernehmen seien. Sie wurden dann auch später bei der Eigentumseintragung des Käufers gelöscht.
Zuvor hatte allerdings der Verkäufer ein Geh- und Fahrrecht sowie ein Mitbenutzungsrecht an Parkplätzen zugunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks eintragen lassen; diese Belastungen wurden nicht gelöscht.
Der Verkäufer verlangte Freigabe des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Restkaufpreises von 120.000 €; das Landgericht verurteilte zur Freigabe von 86.000 €, was das Kammergericht bestätigte, weil es sich um einen verhältnismäßig geringfügigen Rechtsmangel handele. Die Revision war erfolgreich.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof verwies darauf, dass anders als bei Sachmängeln es nicht auf den Gefahrübergang ankomme. Maßgeblich sei der Eigentumsübergang, also die Eintragung im Grundbuch. Zu diesem Zeitpunkt seien die zusätzlichen Grunddienstbarkeiten eingetragen gewesen und stellten somit einen Rechtsmangel dar.
Der Verkäufer könne den Käufer auch nicht auf die abgetretene Vormerkung verweisen, die nur den Auflassungsanspruch des Verkäufers gesichert habe, und nicht den Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer.
Rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung des Kammergerichts, der Beklagte könne die Freigabe des Restkaufpreises nur in Höhe der doppelten, durch die Grunddienstbarkeiten verursachten Wertminderung des Grundstücks verweigern. Grundsätzlich bestehe ein Zurückbehaltungsrecht in voller Höhe, sofern nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben nach umfassender Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles etwas anderes geboten sei. Hier sei nicht ersichtlich, dass die Pflichtverletzung des Klägers, der nach Abschluss des Kaufvertrages zwei Grunddienstbarkeiten habe eintragen lassen, als geringfügig anzusehen sei.
Die Sache sei allerdings nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht noch nicht geprüft habe, ob die vereinbarten Voraussetzungen für die Auszahlung des Restkaufpreises durch den Notar gegeben seien. Nötig sei eine Auslegung des Wortlauts der Regelung im notariellen Kaufvertrag. Sollte danach das Kammergericht ausnahmsweise nach Treu und Glauben die Verweigerung der Auszahlung für unrechtmäßig erklären, komme nur eine Verurteilung Zug um Zug nach § 322 BGB in Betracht.

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