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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Anspruch einer Mietermehrheit auf Untervermietung
Wenn einer von zweien ausgezogen ist und der andere nicht alleine bleiben will …
27.09.2021 (GE 16/2021, S. 970) Der Anspruch einer Mietermehrheit auf Erteilung der Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung der Mietsache an einen Dritten setzt nicht voraus, dass das dafür erforderliche berechtigte Interesse bei sämtlichen Mietern vorliegt. Es reicht aus, dass es lediglich in der Person eines von mehreren Mietern gegeben ist.
Der Fall: Die beiden klagenden Mieter begehren von der beklagten Vermieterin Untervermietungserlaubnis, nachdem der eine Mieter ausgezogen ist und der andere die Wohnung nicht alleine weiternutzen will. Das AG hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Mieter hatte Erfolg.

Das Urteil: Als berechtigtes Interesse an einer Untervermietungserlaubnis gelte jedes nach Vertragsschluss entstehende Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehe. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Bereits der unstreitige Wunsch des alleine in der Wohnung verbliebenen Klägers, auch zukünftig zu zweit und nicht alleine zu wohnen, sei von hinreichendem Gewicht. Dieses Interesse sei auch erst nach dem Mietvertragsschluss in dem Moment entstanden, als der andere Mitmieter auszog. Allein darauf komme es an.
Ob der ausgezogene Mieter bereits bei Vertragsschlusses im Jahre 2019 seinen Auszug für das Jahr 2020 geplant habe, sei unerheblich. Eine vorherige Planung stünde der Geltendmachung der Untervermietungserlaubnis auch nicht aus Vertrauensgründen (§ 242 BGB) entgegen, da ein Mieter bei Mietvertragsabschluss dem Vermieter „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“ seine zukünftige Lebensplanung offenbaren müsse.
Der Anspruch der Kläger auf Untervermietungserlaubnis scheitere auch nicht daran, dass das berechtigte Interesse nur bei einem Kläger bestehe, denn im Falle einer Mietermehrheit sei es ausreichend, dass ein berechtigtes Interesse lediglich in der Person eines Mieters vorliege.

Anmerkung: Die Kammer hat die Revision zugelassen, da die Auswirkungen des Auszugs eines von mehreren Mietern auf den Anspruch einer Mietermehrheit auf Untervermietung an einen Dritten allein im Interesse der verbliebenen Mieter bislang höchstrichterlich ungeklärt seien.
Viel interessanter ist allerdings ein anderer Aspekt, über den der als Einzelrichter urteilende Vorsitzende der Kammer elegant hinweggeht. Der Tatbestand der Entscheidung enthält zum Mietvertragsabschluss und Auszug des zweiten Mieters nur folgende Fakten: „Die Parteien schlossen im Jahre 2019 einen Mietvertrag. Im Jahre 2020 zog der Kläger zu 2) aus der streitgegenständlichen Mietsache aus.“ Für die Entscheidung wichtig zu wissen wäre schon, welcher Zeitraum zwischen Mietvertragsabschluss und Auszug des zweiten Mieters gelegen hatte. Die Vermieterin hat schließlich behauptet, der schnelle Auszug des zweiten Mieters sei von Anfang an geplant gewesen.
Das Problem „löst“ der Kammervorsitzende durch einen Zirkelschluss: Der Mieter müsse „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“ dem Vermieter bei Mietvertragsabschluss seine zukünftige Lebensplanung offenbaren, weshalb es nicht gegen Treu und Glaube verstoße, wenn kurz nach Mietvertragsabschluss einer von zwei Mietern ausziehe und der andere eine Untervermietungserlaubnis verlange.
Dass das Problem so nicht zu lösen ist, zeigt sich an der spiegelverkehrten Fallgestaltung: Vermieter V schließt mit Mieter M 2019 einen Mietvertrag, weiß aber schon, dass er die Wohnung ein halbes Jahr später seinem Sohn überlassen, sie aber nicht so lange leerstehen lassen und auf die Mieteinnahmen verzichten will. Legt man die vorgenannte Auffassung des Landgerichts zugrunde, gäbe es auch für den Vermieter „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“ die Verpflichtung, dem Mieter bei Mietvertragsabschluss zu offenbaren, dass er ein paar Monate später wegen Eigenbedarfs kündigen will. Wirklich nicht?
Das spiegelbildliche Verhalten des Vermieters wäre rechtsmissbräuchlich. Der Rechtsmissbrauch läge im widersprüchlichen Verhalten des Vermieters, das darin besteht, dass er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen (vgl. Milger, NZM 2014, 769 ff.). Daraus resultiert eine entsprechende Aufklärungspflicht des Vermieters (Milger aaO.), die spiegelbildlich auch für den Mieter gelten muss.
Falls Revision eingelegt wird, hat der VIII. Senat des BGH, dem die vorstehend zitierte Autorin vorsitzt, Gelegenheit für ein paar klarstellende Worte.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2021, Seite 1004 und in unserer Datenbank.
Autor: D. Blümmel


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