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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Unbefugte Gebrauchsüberlassung der gesamten Wohnung an mitwohnendes Familienmitglied
Pflichtverletzung von nur unzureichendem Gewicht für eine Kündigung?
05.10.2020 (GE 17/2020, S. 1095) Der Mieter darf ohne die Erlaubnis des Vermieters die Mietsache keinem Dritten überlassen, insbesondere nicht weitervermieten. Tut er es trotzdem, darf der Vermieter fristlos kündigen. Ob diese eigentlich klare Gesetzeslage (unbefugte Gebrauchsüberlassung) auch gilt, wenn der Mieter die komplette Wohnung einem zuvor mit Kenntnis des Vermieters aufgenommenen Familienmitglied überlässt, sei bislang höchstrichterlich ungeklärt, meint das LG Berlin (ZK 67). Ebenso, ob ein solches Vorgehen eine Pflichtverletzung sei und – selbst wenn man das bejahe– mangels hinreichend ins Gewicht fallender wirtschaftlicher oder sonstiger Nachteile des Vermieters überhaupt geeignet wäre, dessen Rechte in einem für eine Kündigung erforderlichen „erheblichen Maße“ zu verletzen.
Der Fall: Der Mieter hatte die Wohnung 2011 gemietet und seinen Bruder aufgenommen. Drei Jahre später zog er aus und zurück in das von Ehefrau und Kindern bewohnte Einfamilienhaus. Daraufhin hatte die Vermieterin gekündigt. Am Ende schlossen die Streitparteien einen Räumungsvergleich und überließen dem Gericht die Kostenentscheidung. Das Landgericht hob die Kosten gegeneinander auf.

Der Beschluss: Kostenteilung sei geboten, wenn es um schwierige oder sogar höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfragen gehe wie hier. Die Beklagten wären ohne den Vergleich nur dann zur Räumung und Herausgabe der Mietsache verpflichtet gewesen, wenn die Kündigung entweder als außerordentliche oder als ordentliche Kündigung wirksam gewesen wäre.
Unbefugte Gebrauchsüberlassung sei zwar ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung, und vorliegend habe der Beklagte zu 1) die Mietsache dem Beklagten zu 2) unbefugt überlassen, sofern es sich bei dem Beklagten zu 2) um einen „Dritten“ i.S.d. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB gehandelt hätte. Jedenfalls ab Auszug des Beklagten zu 1) wäre die Gebrauchsüberlassung der gesamten und nicht nur eines Teils der Mietsache an den Beklagten zu 2) nicht mehr berechtigt und damit unbefugt gewesen.
Bei dem Beklagten zu 2) handele es sich jedoch um den Bruder des Beklagten zu 1). Seine Aufnahme in die Mietsache sei –ebenso wie die anderer Familienmitglieder – privilegiert, da er kein „Dritter“ im Sinne der hier einschlägigen Bestimmungen sei. Ob die Besitzüberlassung der gesamten Wohnung an Familienangehörige überhaupt „unbefugt“ wäre, ließ das Landgericht dahinstehen. Es sei bereits fraglich, ob die Pflichtverletzung durch vollständige Gebrauchsüberlassung an ein zuvor mit Kenntnis des Vermieters in die Mietsache aufgenommenes Familienmitglied mangels hinreichend ins Gewicht fallender wirtschaftlicher oder sonstiger Nachteile des Vermieters überhaupt geeignet wäre, die Rechte des Vermieters in einem für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung notwendigen erheblichen Maße zu verletzen. Sämtliche dieser schwierigen und nicht zweifelsfrei zu beantwortenden abstrakten Rechtsfragen seien bislang höchstrichterlich vollständig ungeklärt.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 1117 und in unserer Datenbank.


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