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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Schon dem Reichsgericht stellten sich die Fragen wie jetzt bei Corona
Schließung von Vergnügungsstätten
19.05.2020 (GE 9/2020, S. 570) Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem vor Kriegsausbruch geschlossenen Pachtvertrag über eine Tanzwirtschaft anzunehmen ist, dass das Verbot öffentlicher Tänze während des Krieges die gänzliche Unmöglichkeit der Leistung des Verpächters herbeiführt und was daraus folgt, hatte sich schon das Reichsgericht zu befassen, wie eine Entscheidung aus dem Jahr 1917 zeigt.
Der Fall: Der Kläger pachtete von der Beklagten im Januar 1914 für die Zeit vom 1. Februar 1914 bis zum 30. September 1919 die Räume zum Betrieb eines Ballhauses sowie die im ersten Stock darüber liegende Wohnung. Am 22. November 1914 wurde die Veranstaltung öffentlicher Tänze in Folge des Krieges untersagt. Der Kläger begehrt Feststellung, dass er für die Dauer des Verbots von der Verpflichtung zur Zahlung von Pachtzins für die Wirtschaftsräume befreit sei, sowie Verurteilung der Beklagten zur Rückgewähr des seit dem 22. Dezember 1914 bezahlten Pachtzinses. Die Beklagte, welche dem Kläger wegen der Einstellung der Pacht- und Mietzinszahlungen seit Anfang 1916 gekündigt hat, fordert widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Räumung der Wirtschaft und der Wohnung. Das LG hat unter Abweisung der Klage der Widerklage stattgegeben, das OLG hat auf die Berufung des Klägers unter Abweisung der Widerklage festgestellt, dass der Kläger während des Bestehens des Tanzverbots Zahlungen für die Überlassung der„Wirtschaft“ nicht zu leisten und dem Grunde nach Anspruch auf Rückgewähr des Pachtzinses für die Wirtschaft habe. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils durch das Reichsgericht.

Das Urteil: Der durch das Tanzverbot geschaffene Zustand macht die Pachtsache Tanzlokal fehlerhaft. Das allein durch das Tanzverbot geschaffene Erfüllungshindernis – der eine kann nicht zahlen, der andere nur eine mangelhafte Pachtsache zur Verfügung stellen, weil nicht getanzt werden darf – ist unter dem Gesichtspunkt der unverschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit zu würdigen. Das Reichsgericht löst das salomonisch: Der Pächter muss nicht zahlen, aber räumen.

RG, III. Zivilsenat, Urteil vom 20. Februar 1917 - III 384/16 - Wortlaut GE 9/2020, 601


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