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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Entfernen der Wertstoffbehälter ist eine Besitzstörung
Der Entsorger wollte nach Fehlwürfen die Gelben Tonnen abziehen
20.01.2020 (GE 23/2019, S. 1535) Besitzer eines Wertstoffbehälters nach der Verpackungsverordnung und dem Verpackungsgesetz (Gelbe Tonne) ist nicht der Systembetreiber oder dessen Beauftragter, sondern der Eigentümer des Grundstückes, auf dem der Behälter eingestellt ist. Der Abzug der Behälter wegen einer Fehlbefüllung stellt deshalb auch dann eine Besitzstörung dar, wenn er durch die Nutzungsbedingungen des Systembetreibers gedeckt ist.
Der Fall: Die klagende Grundstückseigentümerin verlangt von der beklagten Müllentsorgerin, dass sie den wegen Fehlbefüllung der Tonnen vorübergehenden Abzug der Wertstoffbehälter unterlässt – mit Erfolg.

Das Urteil: Der Besitzer könne auf Unterlassung klagen, wenn er durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört werde und weitere Störungen zu besorgen seien. So liege der Fall hier.
Die Klägerin sei im Zeitpunkt des Abzuges (Allein-) Besitzerin der Wertstoffbehälter (Gelbe Tonnen) gewesen. Als Eigentümerin der Grundstücke sei ihr auf ihren Antrag von Mitarbeitern der Beklagten die tatsächliche und auf Dauer angelegte Sachherrschaft an den Wertstoffbehältern überlassen worden. Die Behälter wurden auf einem eingezäunten und verschlossenen Abschnitt der Grundstücke der Klägerin aufgestellt. Zu den Behältern hatten neben den Mitarbeitern der Klägerin lediglich die jeweiligen Mieter Zutritt, nicht aber die Mitarbeiter der Beklagten. An den Leerungsterminen wurden die Tore der Standplätze ebenfalls ausschließlich durch die Mitarbeiter der Klägerin geöffnet und die Behälter für die Leerung den Mitarbeitern der Beklagten bereitgestellt, die diese nach der Leerung wiederum der Klägerin zur eigenen Verfügung überlassen haben. Durch das Einstellen der Tonnen in einen gegenüber Dritten abgeschirmten Bereich habe die Klägerin ihren Besitzbegründungswillen in hinreichender Weise nach außen dokumentiert. Dass die Klägerin die Tonnen besaß, ohne dass sie ihr gehörten, stehe ihrem Besitzwillen nicht entgegen, sondern führe lediglich dazu, dass Besitz in Form des Fremdbesitzes begründet wurde.
Die Mieter seien zwar Endverbraucher i.S.d. VerpackV und hätten die Wertstoffbehälter genutzt, seien aber nicht deren Besitzer. Weder hätten sie die tatsächliche Sachherrschaft über die Behälter gehabt, noch hätten sie einen nach außen erkennbaren Sachherrschaftswillen besessen. Insbesondere folgt allein aus dem Mitbenutzungsrecht von Gemeinschaftseinrichtungen durch den Mieter nicht bereits sein Mitbesitz.
Die Beklagte sei hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs auch die richtige Beklagte.
Die von ihr vertretene Auffassung, sie sei nur Besitzdienerin für die Streithelferin (Gemeinde) gewesen, steht ihrer Inanspruchnahme als Störerin (§ 862 BGB) nicht entgegen, denn Schuldner des Anspruchs sei jeder, der die Besitzstörung durch seine Handlung als unmittelbarer Handlungsstörer selbst bewirkt habe.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit dem Argument wehren, sie sei Mitbesitzer der Tonnen, und zwischen gleichrangigen Mitbesitzern kämen Besitzstörungsansprüche nicht in Betracht, weil sie nach den hier gegebenen Umständen keine Mitbesitzerin sei. Mitbesitz erfordere, dass mehrere Personen eine bewegliche oder unbewegliche Sache in der Weise besitzen, dass jeder die ganze Sache besitzt und dabei durch den gleichen Besitz der anderen Person beschränkt sei. Die kurzzeitige, vorübergehende Benutzung in Abhängigkeit vom Besitzrecht eines Dritten begründet selbst keinen Besitz. Nach den unstreitigen Abläufen erhielten die Mitarbeiter der Beklagten zwar durch die Öffnung des Sammelplatzes und das Herausstellen der Tonnen die Möglichkeit, auf diese zuzugreifen. Diese Möglichkeit war jedoch auf den reinen Entleerungsvorgang beschränkt und schuf keinen Mitbesitz.
Der vorübergehende Abzug der Wertstoffbehälter durch die Beklagte sei eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht gewesen. Die Klägerin habe dem angekündigten Abzug der Wertstoffbehälter ausdrücklich widersprochen. Auch eine Gestattung durch Gesetz habe nicht vorgelegen. Weder die Verpackungsverordnung noch das Kreislaufwirtschaftsgesetz sähen Derartiges vor. Nach der Abfallwirtschaftssatzung der Stadt war ausdrücklich nur die kostenpflichtige Entsorgung der fehlbefüllten Behälter als Restmüll, nicht aber die eigenmächtige Entziehung der Tonnen gestattet.
Die Auffassung der Beklagten, eine solche Berechtigung lasse sich aus der „spezifischen Verantwortlichkeit der Systeme“ zur kontrollierten Entsorgung von Wertstoffverpackungen ableiten, teile das Gericht nicht. Es sei allgemein anerkannt, dass das Sammeln und Entsorgen der von der Gelben Tonne erfassten Gegenstände nicht der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung unterliege. Die Beklagte werde hinsichtlich des Aufstellens und Leerens der Gelben Tonne demnach nicht bei der Erfüllung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgers tätig. Die Beklagte werde vielmehr allein aufgrund des zwischen ihr und der Stadt geschlossenen privatrechtlichen Vertrages tätig.
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie nach ihren Nutzungsbedingungen ein Recht zum Abzug der Behälter gehabt habe. Denn gegenüber dem Besitzstörungsanspruch könne nur eingewandt werden, dass die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei, mithin durch Gesetz oder durch den Besitzer gestattet worden sei. Hier habe aber verbotene Eigenmacht vorgelegen.
Den von der Klägerin auch geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB wies das OLG Dresden ab. Nach § 823 Abs. 1 BGB sei nur der berechtigte Besitz geschützt. Der habe bei Abzug der Behälter durch die Beklagte auf Seiten der Klägerin nicht vorgelegen, da die Fehlbefüllung der Behälter gegen die „Nutzungsbedingungen“ verstoßen habe, die die Beklagte zur Bedingung für den Anschluss an das System der VerpackV durch Überlassung der Tonnen und für deren weitere Nutzung gemacht hatte. Angesichts dieser – auf die Tonnen aufgeklebten und zwischen den Parteien unstreitigen – Bedingungen habe die wiederholte Fehlbefüllung durch die Mieter der Klägerin zum Wegfall des Besitzrechts geführt. Der wiederholte Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen habe zur Folge gehabt, dass die Klägerin zwar Alleinbesitzerin blieb, ihr Recht zum Besitz an den Tonnen aber verlor.
Das Verschulden der Mieter hinsichtlich Fehlbefüllungen müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Klägerin habe ihrerseits den Mietern die Behälter zur Verfügung gestellt, und als Vermieterin der Wohnungen habe sie es in der Hand gehabt, für eine regelgerechte Abfallbeseitigung zu sorgen. Insbesondere hätte sie, nachdem mehrere Hinweise sowie Beanstandungen seitens der Beklagten erfolgt waren, auf eine Beachtung der Regelungen bei der Abfallentsorgung hinwirken können, d. h. (beispielsweise) entsprechende Regeln in die Hausordnung aufnehmen und Verstöße ahnden oder durch eigene Mitarbeiter eine (Nach-) Sortierung der Abfälle vornehmen lassen können.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin komme, weil sie zum Besitz der Wertstoffbehälter nicht mehr berechtigt war, auch nicht als Nutzungsschaden, der in der Beeinträchtigung der Möglichkeit liegt, die Sache zu gebrauchen, in Betracht. Dies gelte auch dann, wenn ihr der Besitz an den Behältern durch verbotene Eigenmacht entzogen worden war.
Schließlich scheide ein Schadensersatzanspruch der Klägerin auch deshalb aus, weil es an der erforderlichen Kausalität für den geltend gemachten Schaden fehle. Denn die Klägerin verlange den Ersatz der Gebühren, die sie für die Aufstellung der (zusätzlichen) Restmülltonnen in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu tragen hatte. Diese Gebühren wären jedoch auch angefallen, wenn die Beklagte – wozu sie berechtigt gewesen wäre – die Wertstoffbehälter zwar auf den Grundstücken der Klägerin belassen, diese jedoch nicht geleert und die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum von der Leerung der Tonnen ausgeschlossen hätte.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1574 und in unserer Datenbank.


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