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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Mutter (Vermieterin) durfte der Tochter (Mieterin) nicht wegen beleidigender Äußerungen kündigen
Schmähungen unter Familienangehörigen gehören nicht vor den Kadi!
18.10.2019 (GE 18/2019, S. 1147) Der Vermieter kann das Wohnraummietverhältnis fristgerecht kündigen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Wird der Vermieter beleidigt, handelt es sich um eine solche Pflichtverletzung (LG Leipzig, NZM 2002, 247); Pöbeleien und Ausraster im engsten Familienkreis sollen dagegen weniger schwerwiegend sein – so das LG Berlin; eher trifft für das Verletzungsausmaß das Gegenteil zu.
Der Fall: Die Mieterin hatte von ihren Eltern eine Wohnung gemietet; nach jahrzehntelanger Mietdauer kam es zu erheblichen persönlichen Auseinandersetzungen auch in Bezug auf den Mietgebrauch und behauptete Mietmängel, die auch zu einer Strafanzeige der Tochter führten. Die Eltern kündigten das Mietverhältnis wegen Pflichtverletzung; das Amtsgericht hielt die Kündigung für berechtigt. Das Landgericht Berlin war anderer Auffassung.

Das Urteil: Es ging zunächst um die Beseitigung von Wasserschäden im Keller, die nach Auffassung der Vermieter von der Mieterin zumindest erschwert wurden. Da die Mieterin nicht grundsätzlich die Durchführung von Mangelbeseitigungsmaßnahmen verweigert habe und es sich auch nur um einen Nebenraum gehandelt habe, lag darin kein Kündigungsgrund. Auch persönlich herabsetzende Äußerungen der Mieterin seien hinzunehmen, da im engsten Familienkreis ein persönlicher Freiraum bestehe, in dem man seine Emotionen freimütig kundgeben könne. Schließlich rechtfertige auch die Strafanzeige der Tochter gegen ihre Mutter wegen Körperverletzung keine Kündigung, denn die Mieterin sei davon überzeugt, einem gesundheitsgefährdenden Schimmelbefall ausgesetzt zu sein, so dass eine vorsätzliche Pflichtverletzung entfalle.

Anmerkung der Redaktion: Dass die Beleidigung der Mutter weniger schwerwiegend sein soll als die Beleidigung eines Fremden, ist durchaus zweifelhaft. Die von der Kammer herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1984, 1104) kann jedenfalls nicht als Beleg dafür herangezogen werden, denn in dieser Entscheidung betont der BGH, dass ehrverletzenden Behauptungen auch dann entgegengetreten werden kann, wenn sie im „kleinen Kreis“ aufgestellt wurden, und dass Äußerungen im engsten Familienkreis als besonderer Ausnahmetatbestand diskutiert werden. Dazu kommt, dass die Einschränkungen der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt/Main, MMR 2019, 381) gerichtlich angeordnete Unterlassungsgebote mit der Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft betreffen. Hier mag man einen Freiraum für Äußerungen annehmen, während für die Frage, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Vermieter und Mieter gestört ist, etwas anderes zu gelten hat.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1183 und in unserer Datenbank.


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