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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Trotzdem muss ein (anderer) Mieter Arbeiten nicht dulden
Vermieter zur Instandsetzung verurteilt
11.03.2019 (GE 3/2018, S. 152) Der Vermieter hat Mängel an der Mietsache zu beseitigen. Wenn er dazu verurteilt wurde, hat ihm jedermann die Durchführung dieser Arbeiten zu ermöglichen – glaubt man. Das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg beweist das Gegenteil.
Der Fall: Mieter hatten Knarrgeräusche aus der Wohnung über ihnen beanstandet, die Miete gemindert und Befestigung der Dielen in jener Wohnung verlangt. Die Vermieterin wurde durch Anerkenntnisurteil zur Durchführung der Arbeiten verurteilt und wollte diese nunmehr in der Wohnung der Beklagten ausführen lassen. Dazu war es auch erforderlich, die von der Beklagten verlegten Spanplatten zu entfernen. Die Klage auf Duldung war erfolglos.

Das Urteil: Nach umfangreicher Beweisaufnahme mit Ortstermin, Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten stellte das Amtsgericht fest, dass ein Mietmangel weder in der Wohnung der Beklagten noch in der darunterliegenden Wohnung anzunehmen sei. Eine übermäßige Geräuschbelastung liege nicht vor; nach Entfernung der Spanplatten würde diese sogar zunehmen. Es fehle damit an der Voraussetzung des § 555a BGB, wonach der Mieter Erhaltungsmaßnahmen zu dulden hat. Ob die Anbringung der Spanplatten durch die Beklagte, die ohne Genehmigung erfolgt sei, einen vertragswidrigen Gebrauch darstelle, sei nicht zu entscheiden, denn daraus würde gemäß § 541 BGB nur ein Unterlassungsanspruch folgen, nicht aber eine Duldungspflicht für vom Vermieter auszuführende Arbeiten. Auch aus Treu und Glauben sei hier keine Duldungspflicht herzuleiten, zumal nach dem Gutachten die Arbeiten die Lärmbelastung hier vergrößern würden.

Anmerkung: Auf den ersten Blick meint man, das kann nicht sein, dass der Vermieter rechtskräftig zur Durchführung von Arbeiten verurteilt wurde und dann nicht in die Wohnung gelassen wird, um die Arbeiten auszuführen. Gleichwohl ist das Urteil zutreffend, wobei hier alles falsch gelaufen ist, was falsch laufen kann.
Das beginnt mit dem Urteil im Vorprozess, wo offenbar die Mieter mit der Klage eine bestimmte Art der Mängelbeseitigung verlangt hatten. Dabei hat nach ständiger Rechtsprechung der Mieter allein einen Anspruch auf Beseitigung der Mängel, während die Art der Ausführung allein dem Vermieter obliegt. Dazu kommt, dass die Befestigung von Dielen mit Nägeln (die sich wieder lösen können) kaum sachgerecht sein dürfte. Gleichwohl hatte die Vermieterin den Anspruch anerkannt, so dass ein Anerkenntnisurteil vom Gericht ohne eigene Sachprüfung ergehen musste.
Die Mieterin im neuen Prozess war am Vorprozess nicht beteiligt; schon deshalb war eine etwaige Rechtskraft nicht zu berücksichtigen. Unabhängig davon stand rechtskräftig nur fest, dass der Vermieter bestimmte Arbeiten ausführen musste, nicht aber, warum, denn ein Mietmangel war nicht rechtskräftig festgestellt.
Das Amtsgericht war daher verpflichtet, zu prüfen, ob ein Mangel im Sinne des § 536 BGB vorlag, der eine Erhaltungsmaßnahme nach § 555a BGB rechtfertigte. Nach der Beweisaufnahme war das nicht der Fall, so dass die Mieterin nicht zur Duldung verpflichtet war. Auch eine vertragswidrige Nutzung durch das Anbringen der Spanplatten konnte allenfalls einen Schadensersatzanspruch des Vermieters begründen, der die Mieterin zum Rückbau (durch sie selbst: § 249 BGB) verpflichtete. Ein eigenes Recht des Vermieters auf Durchführung der Arbeiten konnte erst im Wege der Zwangsvollstreckung nach erfolgreicher Klage auf Vornahme entstehen (§ 887 ZPO: Ermächtigung des Gläubigers zur Vornahme vertretbarer Handlungen). Eine Duldungspflicht nach Treu und Glauben hat das Amtsgericht ebenfalls mit vertretbarer Begründung verneint.
Nötig war das alles nicht. Wie immer, wenn mehr als zwei Parteien in einen Fall verwickelt sind, war eine Streitverkündung (im Vorprozess) geboten. Nach § 72 ZPO kann eine Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einem Dritten den Streit verkünden, wenn sie gegenüber diesem Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche hat oder von ihm in Anspruch genommen werden kann. Die Vermieterin hätte also im Vorprozess der oberen Mieterin den Streit verkünden müssen mit der Folge, dass dann das Ergebnis des Rechtsstreits (zu beseitigender Mietmangel) auch gegenüber ihr gegolten hätte (§§ 74, 68 ZPO). Die Wirkungen sind weiter als die Rechtskraft, weil alle tragenden Urteilselemente von der Streitverkündung erfasst werden (BGH 157, 99). Auch gegenüber der Mieterin hätte dann festgestanden, dass der Vermieter die Arbeiten in ihrer Wohnung ausführen musste (und durfte).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 194 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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