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Wohnen in der Arztpraxis ist regelmäßig unzulässig
Zweckwidrige Nutzung einer Teileigentumseinheit in einem reinen Gewerbebau
13.06.2018 (GE 10/2018, S. 623) Die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken ist in einem ausschließlich gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude grundsätzlich schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung, weil eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen regelmäßig ganztägig und auch am Wochenende erfolgt.
Der Fall: Die Parteien sind Mitglieder einer reinen Teileigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung von 1989/1990 dient das aus sieben Einheiten bestehende Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung“ und kann insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden. 2013 wurde in unmittelbarer Nähe zu der Anlage ein großes Ärztehaus errichtet. Daraufhin kündigten die Mieter des Beklagten das Mietverhältnis und zogen in das neue Ärztehaus. Jetzt befinden sich in der Anlage nur noch drei Arztpraxen. Die Apotheke ist zu einem Teil an ein Büro für Tierschutzhilfe vermietet und steht im Übrigen leer. In einer ehemaligen Arztpraxis wird eine Schülernachhilfe betrieben. Der Beklagte teilte seine Einheit auf, baute sie um und vermietete beide Teile als Wohnraum. Die Klage richtet sich auf Unterlassung der Wohnnutzung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht ihr stattgegeben, jedoch die Revision zugelassen.

Das Urteil: Den Klägern steht ein Unterlassungsanspruch zu. Nach den Vorgaben der Teilungserklärung ist die Nutzung zu Wohnzwecken unzulässig. Die Anlage besteht ausschließlich aus Teileigentumseinheiten, so dass die gesamten Gebäudeflächen gewerblichen Zwecken dienen. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken ist bei typisierender Betrachtung regelmäßig schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung, weil die Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (wie Küchengerüchen, Freizeit- und Kinderlärm oder Musik) sowie etwa im Flur herumstehenden Gegenständen einhergeht, zu anderen Zeiten, nämlich ganztägig und auch am Wochenende erfolgt. Die Teileigentümer haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden.
Anmerkung: Der BGH nennt noch die Heimnutzung in Teileigentumseinheiten, die gerade von einer Nutzung zu Wohnzwecken abgegrenzt werden muss. Deshalb kann sie nicht herangezogen werden, um eine private Wohnnutzung in einem ausschließlich gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude ausnahmsweise als erlaubt einzuordnen.
Der BGH hat sich noch mit einem prozessualen Problem auseinandergesetzt. Die Beklagten hatten Widerklage erhoben, dass ihnen in Änderung der Teilungserklärung die Wohnnutzung zugestanden werden müsse. Der Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung kann jedoch nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden, denn die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Regelung gilt, solange sie nicht durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer oder durch Ersetzung der Zustimmung durch Richterspruch abgeändert ist. Würde die Unterlassungsklage abgewiesen, unterbliebe aber die Änderung der Gemeinschaftsordnung. Demgemäß stünde nicht rechtskräftig fest, dass der Anpassungsanspruch besteht, weil sich die Rechtskraftwirkung nicht auf Einreden erstreckt. Überdies würden die Beklagten in eine Klägerrolle gedrängt. Grundsätzlich muss aber derjenige, der gegen den Willen der übrigen Wohnungseigentümer die Anpassung der Nutzungsregelung erreichen will, eine darauf gerichtete Klage erheben und darf die neue Nutzung erst dann aufnehmen, wenn er ein rechtskräftiges Urteil zu seinen Gunsten erstritten hat.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 651 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Dittert, Südhoff & Partner


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