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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Kündigung wegen unerlaubter Überlassung der Wohnung an in Deutschland bleibende Kinder
Endgültige und dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Türkei
04.06.2018 (GE 10/2018, S. 614) Kein seltener Fall: Die lange Jahre in Deutschland lebenden Eltern beabsichtigen nicht, auf Dauer zu bleiben, beziehen hier mit ihren Kindern eine Wohnung und ziehen nach Jahren – ohne die inzwischen erwachsenen Kinder – zurück in die alte Heimat, wo sie sich ein Haus gebaut haben. Die hiesige Wohnung wird, ohne Erlaubnis des Vermieters, den Kindern überlassen. Das Landgericht Berlin hält in solchen Fällen eine Kündigung wegen nicht unerheblicher schuldhafter Vertragspflichtverletzung für berechtigt.
Der Fall: Das auf Räumung und Herausgabe verklagte Mieterehepaar hat laut Meldeauskunft seit 2011 keinen inländischen Wohnsitz mehr, sondern wohnt in der Türkei in einem Haus, das von den Brüdern des Ehemannes für die aus mehreren Generationen bestehende Familie gebaut wurde. Das Ehepaar hat ihre aus zwei Zimmern bestehende Wohnung vollständig ihrem Sohn sowie dessen Ehefrau und Söhnen im Alter von inzwischen 21 und 25 Jahren überlassen, ohne eine Erlaubnis des Vermieters einzuholen. Das Ehepaar hält sich – wie Besucher – lediglich etwa zwei Mal im Jahr in der Wohnung auf; während dieser Zeit weichen die erwachsenen Enkel in eine andere Wohnung von Verwandten aus. Das beklagte Mieterehepaar besitzt zwar noch die Niederlassungserlaubnis für Deutschland, macht davon aber keinen Gebrauch. Das Landgericht hat antragsgemäß sämtliche Beklagte – Großeltern (Mieter), den Sohn, die Schwiegertochter und die beiden Enkel – zur Räumung verurteilt.

Das Urteil: Die Mieter waren nicht berechtigt, die Wohnung ohne die Erlaubnis des Vermieters ihrem Sohn, der Schwiegertochter und den beiden Enkeln zu überlassen.
Ein Mieter, der es unterlässt, die erforderliche Erlaubnis des Vermieters vor Überlassung der Räumlichkeiten an einen Dritten einzuholen, verstoße stets gegen seine Pflichten aus dem Mietverhältnis, und zwar selbst dann, wenn er einen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis habe.
Zwar seien im Haushalt des Mieters lebende nahe Familienangehörige, insbesondere die Kinder des Mieters, keine „Dritten“ im Sinne der allgemeinen Untervermietungsvorschrift (§ 540 Abs. 1 BGB), auch nicht, wenn sie bereits erwachsen sind, sondern zum Gebrauch der Mietsache berechtigt. Das gelte allerdings nur, solange der Mieter selbst die Wohnung noch in eigener Person nutze, der Familienangehörige also in den Haushalt des Mieters aufgenommen werde, um dort gemeinsam mit ihm zu leben.
Vorliegend hätten die Mieter ihren Wohnsitz in der Wohnung bereits vor Jahren aufgegeben und auch keinen erkennbaren Willen, jemals wieder dauerhaft in der Wohnung zu leben. Damit sei die einzige Grundlage für ein (etwaiges zuvor) berechtigtes Mitbewohnen der Wohnung – die Führung eines gemeinsamen Haushaltes mit Sohn, Schwiegertochter und Enkeln – (dauerhaft) entfallen.
Die Vertragsverletzung der Mieter sei auch gewichtig genug für eine ordentliche Kündigung. Bei der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls komme es auch darauf an, ob der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte habe, gegebenenfalls komme es auch auf die Gründe an, die ihn dazu bewogen hätten, einem Dritten ohne die Genehmigung des Vermieters den Gebrauch der Mietsache zu überlassen. Habe der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis des Vermieters, könne die Pflichtverletzung des Mieters u. U. nicht gravierend genug für eine Kündigung sein. Im vorliegenden Fall hätten die Mieter aber schon gar keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis gehabt, die von ihnen gemietete Wohnung dauerhaft und vollständig ihren Familienangehörigen zu überlassen. Hier gehe es schließlich nicht um ein Eintritts- und Fortsetzungsrecht von Haushaltsangehörigen wie beim Tod des Mieters. Eine Regelung, die nahen Verwandten des Mieters oder anderen Angehörigen seines Haushaltes außerhalb der Voraussetzungen des § 563 BGB (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) ein Eintrittsrecht in das Mietverhältnis gewährt, sehe das ansonsten mit weitreichenden Schutzvorschriften zugunsten des Mieters ausgestattete Wohnraummietrecht gerade nicht vor. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber diesen Fall versehentlich nicht geregelt habe.
Eine – wie hier – ohne jeden Rückkehrwillen angestrebte Erlaubnis, die Mietsache dauerhaft und ausschließlich anderen Familienmitgliedern zu überlassen, werde auch nicht von § 553 Abs. 1 BGB – der speziellen Untervermietungsvorschrift für das Wohnraummietrecht – abgedeckt. Die Wohnung solle nicht den Mietern erhalten werden, sondern innerhalb der Familie „weitergegeben“ werden. De facto handele es sich dabei um einen dem Vermieter aufgedrängten Mieterwechsel, denn das Mieterehepaar habe angesichts seines hohen Alters und dauerhaften Lebensmittelpunktes in der Türkei einerseits sowie der vollständigen Überlassung der Räumlichkeiten an die Familie keine Mieterposition mehr inne, und es strebte deren Wiederaufnahme für die Zukunft auch nicht an.
Ein Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zu einem Austausch der Mieter könne bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung zwar in Betracht kommen, doch ergebe sich dafür schon aus dem Mietvertrag nichts. Für einen so weitreichenden Eingriff in das Recht des Vermieters, seinen Vertragspartner auszuwählen, fehle es an einer gesetzlichen, aber auch vertraglichen Grundlage.
Zwar sei das Argument der Beklagten, dass sie ja nicht verpflichtet seien, die Wohnung (überhaupt) zu nutzen, zutreffend. Sie übersähen jedoch, dass daraus nicht im Umkehrschluss das Recht erwachse, den Alleingebrauch der Wohnung anderen Personen zu überlassen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 641 und in unserer Datenbank.


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