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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Zusammenlegung zweier vom Eigentümer selbst bewohnten Eigentumswohnungen unzulässig
Gestaltung der eigenen Wohnung im Milieuschutz
30.12.2015 (GE 22/2015, S. 1432) Das VG Berlin hat sich mit der bislang ungeklärten Frage auseinandergesetzt, ob der Eigentümer zweier nebeneinanderliegender Wohnungen in einem sozialen Erhaltungsgebiet i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB („Milieuschutzgebiet“) diese beiden Wohnungen mit einem Durchbruch verbinden kann. Nach Auffassung des Gerichts durfte die Behörde die hierfür erforderliche erhaltungsrechtliche Genehmigung versagen.
Der Fall: Die Eigentümerin von
zwei nebeneinanderliegenden Eigentumswohnungen mit Wohnflächen von 53 m2 und
35 m2 im räumlichen Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung „Barbarossaplatz/ Bayerischer Platz“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg möchte diese Wohnungen mittels
eines Wanddurchbruchs zusammenlegen. Sie bewohnt
beide Wohnungen selbst und
gelangt in den jeweils anderen
Bereich ihrer Wohnung bislang
über das Treppenhaus. Die für den Durchbruch beantragte erhaltungsrechtliche Genehmigung wird unter Berufung auf die Erhaltungsverordnung und die Ausführungsvorschriften des Bezirks versagt. Die Klägerin hat gegen die Versagung Widerspruch und Klage erhoben.

Das Urteil: Das Verwaltungsgericht weist die Klage ab und gibt der Behörde recht. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der für den Durchbruch erforderlichen erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Die Versagung sei rechtmäßig, weil das konkrete Vorhaben geeignet sei, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen und diese Verdrängung aus besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde. Da das Ziel der Erhaltungsverordnung die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Erhaltungsgebiet sei, sei es für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nicht entscheidend, ob durch die konkrete Maßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt würden. Es reiche vielmehr aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet sei, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen.
Die Erhaltungsverordnung diene nicht dem Schutz einzelner konkreter Bewohner, sondern dem allgemeinen und längerfristigen Ziel, die Struktur der Wohnbevölkerung zu erhalten. Dieses Planungsziel könne nur bei „Anknüpfung an objektive und dauerhafte Gegebenheiten erreicht werden, die durch eine Maßnahme in der Regel verändert werden“. Da eine einzelne Maßnahme innerhalb eines größeren Erhaltungsgebiets „kaum jemals zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen wird“, dürfe die Maßnahme auch nicht isoliert gesehen werden. Es komme vielmehr darauf an, ob die einzelne Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet sei, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht.
Die Wohnungszusammenlegung sei„generell geeignet, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen“. Bereits„zahlenmäßig“ entziehe die Maßnahme dem Wohnungsmarkt eine Wohnung. Letztlich gingen „sogar zwei Wohnungen eines bestimmten Wohnungstyps verloren“, die ersetzt werden durch eine einzige„eines anderen Wohnungstyps“. Das Spezifische und Typische des geschützten „Milieus“ sei im vorliegenden Fall gerade der hohe Anteil an kleinen Haushalten mit geringen Einkommen, der auf das Vorhandensein kleiner, bezahlbarer Wohnungen angewiesen sei.
Die Versagung der Genehmigung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall ein „Versagungsermessen“ der Behörde. Der hierfür erforderliche„atypische Ausnahmefall“ sei hier jedoch nicht gegeben; der Umstand, dass die Klägerin Eigentümerin beider Wohnungen sei und diese selbst (bzw. mit ihrer Familie) nutzen wolle, sei insofern irrelevant. Es könne„grundsätzlich nicht entscheidend darauf ankommen, ob im Einzelfall keine konkrete Verdrängungsgefahr besteht“.

Anmerkung: Die Entscheidung ist von hoher Relevanz für die Praxis in den Berliner Milieuschutzgebieten. Nachdem eine Vielzahl von streitigen Fragen bereits obergerichtlich geklärt wurde (z. B. die grundsätzliche Zulässigkeit der Errichtung von Aufzügen im Milieuschutzgebiet), ist die Frage der Wohnungszusammenlegungen bzw. Grundrissänderungen der verbliebene Hauptstreitpunkt zwischen Eigentümern und Behörden.
Inhaltlich ist dem Verwaltungsgericht zwar insoweit zuzustimmen, dass Erhaltungsgebiete nicht dem Schutz einzelner konkreter Mieter dienen und insoweit die Verdrängungsgefahr „abstrakt“ bestimmt werden muss. Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage, ob die Veränderung von Wohnungsgrößen, wenn sie – wie hier – nicht zu besonders „großzügigen“ Grundrissen führen, tatsächlich derart pauschal als„verdrängend“ eingestuft werden kann. So spricht vielmehr einiges dafür, dass auch die geschützte „Gebietsbevölkerung“ als solche ein Bedürfnis nach größeren (und dabei pro Quadratmeter relativ günstigeren) Wohnungen hat. Die Klägerin, die seit 20 Jahren im Gebiet lebt, ist das beste Beispiel dafür. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich das OVG in der zweiten Instanz positionieren wird.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1473 und in unserer Datenbank)
Autor: RA Axel Dyroff Rechtsanwälte Schultz und Seldeneck


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