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Für Spanneneinordnung ist die Orientierungshilfe aus Berlin anwendbar
Hennigsdorfer Mietspiegel
30.01.2024 (GE 1/2024, S. 21) Nach einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung muss das Gericht die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete, also die Einzelvergleichsmiete ermitteln. Wenn der Mietspiegel nur eine Spanne angibt, sind wohnwertmindernde und wohnwerterhöhende Merkmale zu berücksichtigen. Das Amtsgericht Oranienburg meint, für die Umlandgemeinde Hennigsdorf könne die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels herangezogen werden.
Der Fall: Der Vermieter hatte Zustimmung zu einer Mieterhöhung für eine Wohnung in Hennigsdorf unter Bezugnahme auf den Mietspiegel der Stadt verlangt. Nach diesem Mietspiegel galt für die Wohnung eine Spanne von 6,95 €/m2 bis zu 8,97 €/m2; der Vermieter machte den Oberwert geltend. Der qualifizierte Mietspiegel für die Stadt Hennigsdorf macht jedoch keine Angaben dazu, wann eine Mieterhöhung bis zum obersten Wert der Spanneneinordnung gerechtfertigt ist. Stattdessen gilt im Regelfall der Mittelwert des jeweiligen
Feldes. Die Spannen, so heißt es in den Erläuterungen zur Miettabelle lediglich, drückten mögliche Qualitätsunterschiede, nicht erfasste Qualitätsmerkmale oder von der ortsüblichen Vertragsgestaltung abweichende mietvertragliche Regelungen aus. Darüber, wie im Detail die Spannen ausgefüllt und die Einzelvergleichsmieten ermittelt werden sollen, schweigt sich der Mietspiegel aus.

Das Urteil: Das Amtsgericht Oranienburg gab der Klage überwiegend statt. Die ortsübliche Vergleichsmiete ergebe sich aus dem qualifizierten Mietspiegel für Hennigsdorf. Dieser gebe zwar nur eine Spanne für die ortsübliche Vergleichsmiete an, während die Einzelvergleichsmiete durch Schätzung anhand der konkreten Wohnwertfaktoren zu ermitteln sei. Dafür könne die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels in entsprechender Anwendung herangezogen werden.

Anmerkung: Das Urteil erscheint zunächst befremdlich, wenn es für einen qualifizierten Mietspiegel einer Stadt die Orientierungshilfe aus einem Mietspiegel einer anderen Stadt anwendet. Nach § 558a Abs. 4 BGB können zwar Mietspiegel aus vergleichbaren Gemeinden herangezogen werden, wenn für die Wohnung kein Mietspiegel existiert. So hat das Landgericht Potsdam für Schönefeld die ortsübliche Vergleichsmiete mit dem Berliner Mietspiegel ermittelt (GE 2004, 1593). Das „Aufpfropfen“ der Berliner Orientierungshilfe auf einen anderen Mietspiegel ist dagegen gesetzlich nicht vorgesehen. Zu bedenken sind aber die Alternativen, die dem Gericht in einem solchen Fall offenstehen. Entweder wird – aufwendig – ein Sachverständigengutachten eingeholt oder der Richter bestimmt nach Augenscheinseinnahme, was nach seiner Auffassung wohnwerterhöhend und wohnwertmindernd ist. Ein Vermieter, der ja ohne Weiteres das Mieterhöhungsverlangen auf den Oberwert des Mietspiegels stützen darf, kann dann nicht absehen, wie ein gerichtliches Verfahren ausgehen wird. Bei allen Bedenken, die auch gegen die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels bestehen (deren Anwendung freilich vom BGH gebilligt wird, z. B. GE 2021, 49), ist das Vorgehen des AG Oranienburg nicht abwegig.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 46 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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