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Bis zur Unterzeichnung einer Nachtragsvereinbarung ist noch eine fristgerechte Kündigung möglich
Heilung der Schriftform
25.10.2023 (GE 17/2023, S. 832) Gerade bei Geschäftsraummietverhältnissen spielt die Nichteinhaltung der Schriftform eine große Rolle; bis zur Unterzeichnung einer Änderungsvereinbarung ist der ganze Vertrag vorfristig kündbar, denn die nachträgliche Errichtung einer dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügenden Vereinbarung entfaltet nur Wirkung ab da.
Der Fall: Die Praxisgemeinschaft hatte als GbR Räume im Klinikum für einen längeren Zeitraum gemietet; eine spätere Änderungsvereinbarung war zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt von ihren Gesellschaftern unterzeichnet worden. Nachdem es zu Unstimmigkeiten über die Mietzahlung kam, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristgerecht; das Landgericht Hannover gab der Räumungsklage statt. Nach Erlass des Räumungsurteils kündigte die Klägerin zusätzlich fristlos wegen Zahlungsverzugs.

Der Beschluss: Das OLG Celle wies auf die Absicht hin, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Das Räumungsurteil sei im Ergebnis richtig. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Kündigung gegenüber der GbR erfolgt sei und nicht ihr gegenüber als Rechtsnachfolgerin. Die Vorschrift des § 407 BGB sei analog anzuwenden, weil der Rechtsnachfolger sich die Wirksamkeit einer Rechtshandlung zurechnen lassen müsse, die von der anderen Seite in Unkenntnis des Übergangs vorgenommen worden sei. Die beklagte GmbH habe erst nach Zugang der Kündigung den Übergang des Mietverhältnisses auf sie mitgeteilt.
Die fristgerechte Kündigung sei auch wirksam, weil nicht geklärt sei, wann die Nachtragsvereinbarung unterzeichnet worden sei. Zwar sei ein Zugang der empfangsbedürftigen Willenserklärung (hier: an die Vermieterin) nicht erforderlich; entscheidend sei nach der Rechtsprechung des BGH der Zeitpunkt der Unterzeichnung. Die Zeugenvernehmung habe dazu jedoch keine Gewissheit erbracht.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben sei nicht anzunehmen; auch eine Existenzbedrohung für die Beklagte liege nicht vor. Schließlich sei das Mietverhältnis auch wirksam fristlos wegen Zahlungsverzugs gekündigt worden. Die Parteien hätten sich auf eine Flächenerweiterung und eine Mieterhöhung mündlich geeinigt, was mit einem Mietvertragsnachtrag festgehalten werden sollte. Auch wenn die Beklagte später den Rückstand gezahlt habe, werde davon die fristlose Kündigung nicht berührt. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten eine Saldomitteilung zu übersenden. Es sei allein Sache der Beklagten gewesen, sich um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern.

Anmerkung: Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Soweit ersichtlich, behandelt sie erstmals die Frage, ob ein Mieter sich darauf berufen kann, eine Kündigung sei nicht ihm, sondern seinem Rechtsvorgänger zugegangen. Das OLG Celle bejaht eine analoge Anwendung der §§ 407, 412 BGB, wonach die Rechtshandlung gegenüber dem bisherigen Gläubiger wirksam ist, wenn sie in Unkenntnis der Rechtsnachfolger vorgenommen wurde. Die Heilung eines Verstoßes gegen die Schriftform durch eine Nachtragsvereinbarung geschieht durch bloße Unterzeichnung, wobei es auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung ankommt. Die Heilung tritt nicht etwa rückwirkend ein; bis zur Unterzeichnung ist die fristgerechte Kündigung möglich.
An sich waren die umfangreichen Ausführungen des OLG überflüssig, weil das Mietverhältnis jedenfalls durch die fristlose Kündigung im Berufungsverfahren beendet war; die Berufung der Vermieterin darauf war nicht etwa nach § 531 ZPO zurückzuweisen (BGH, NJW 2019, 80). Um so bedeutsamer sind die Ausführungen und die amtlichen Leitsätze des Gerichts.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2023, Seite 7 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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