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Keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung
Wohnungsüberlassung zu einer verbilligten Miete
07.08.2023 (GE 13/2023, S. 640) Die im Rahmen eines öffentlichen Wohnraumfördermodells vom Grundstückskäufer übernommene Verpflichtung, noch zu errichtende Wohnungen zu einem verbilligten Mietzins an Dritte zu überlassen, stellt keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung des Grundstückskäufers dar, wenn ihm im Rahmen des Gesamtkonzepts zugleich zinsgünstige Darlehen gewährt werden.
Der Fall: Die Klägerin erwarb 2015 ein unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von etwa 2,75 Mio. €. Darüber hinaus übernahm sie die von der Verkäuferin gegenüber der Stadt eingegangene Verpflichtung zur Herstellung geförderten Wohnraums. Daneben verpflichtete sie sich in einem städtebaulichen Vertrag, das Grundstück zum Teil mit öffentlich geförderten Wohnungen mit 25 Jahren Sozialbindung zu bebauen. Die Stadt erhielt das Recht, die Mieter zu benennen und bewilligte im Gegenzug der Klägerin nach Abschluss des Kaufvertrags niedrig verzinsliche Darlehen und Zuschüsse.
Bei Festsetzung der Grunderwerbsteuer rechnete das Finanzamt bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage dem Kaufpreis die Verpflichtung zur verbilligten Überlassung der Wohnungen als sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG hinzu. Zur Berechnung kapitalisierte es die Differenz zwischen ortsüblicher und verbilligter Miete.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die verbilligte Vermietung stelle keine Gegenleistung für das Grundstück, sondern für die Gewährung der zinsverbilligten Darlehen und Zuschüsse dar. Eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG liege auch nicht etwa deshalb vor, weil die Pflichten des Erwerbers aus der Mietpreisbindung den Zinsvorteil der Darlehen und den Wert des Zuschusses übersteigen würden. Die Belastung durch die Mietpreisbindung werde durch den Zinsvorteil der Baudarlehen und den nicht rückzahlbaren Zuschuss mehr als kompensiert. Hiergegen hat das Finanzamt Revision eingelegt mit der Begründung, der Kaufpreis sei nur deshalb so günstig gewesen, weil die Klägerin die aus der Wohnraumförderung resultierenden Belastungen übernommen habe.

Das Urteil: Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen und sich im Ergebnis der Auffassung des FG angeschlossen.
Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer wird gem. § 8 Abs. 1 GrEStG durch die Gegenleistung gebildet, die der Erwerber des Grundstücks zu erbringen hat. Hierzu können gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch sonstige Leistungen gehören, die der Erwerber Dritten gegenüber zu erbringen hat. Somit kann auch eine von dem Erwerber eingegangene Verpflichtung, einen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen, grundsätzlich eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellen und zur Gegenleistung gehören. Voraussetzung ist aber, dass der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung miteinander kausal verknüpft sind. Leistungen des Käufers, die für eine andere Leistung aufgewendet werden als die Übertragung des Grundstücks, stellen keine Gegenleistung dar.
Außerdem gehört zu den sonstigen Leistungen auch die Übernahme von Verpflichtungen des Veräußerers durch den Erwerber. Voraussetzung ist allerdings, dass die Verpflichtung bereits in der Person des Veräußerers entstanden ist. Da die Erwerberin im vorliegenden Fall nach Ansicht des BFH die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung nicht von der Verkäuferin übernommen hat, sondern sie erst später bei ihr originär entstanden ist, stellt diese Verpflichtung schon deshalb keine Gegenleistung dar.
Eine sonstige Leistung liegt nach Ansicht des BFH aber auch dann nicht vor, wenn man entsprechend der Feststellung des Finanzgerichts davon ausgeht, dass die Klägerin eine von der Verkäuferin bereits in dem städtebaulichen Vertrag vereinbarte Verpflichtung zur verbilligten Überlassung von Wohnraum übernommen hat. Auch in diesem Fall stellt die Mietpreisbindung eine Gegenleistung für die zinsverbilligten Darlehen und den Zuschuss dar. Denn die Mietpreisbindung und die Gewährung zinsgünstiger Darlehen sowie eines Zuschusses sind Teil eines Gesamtkonzepts zur staatlichen Wohnraumförderung und gleichen sich wertmäßig aus. Auch wenn die Darlehen und der Zuschuss erst nach Abschluss des Kaufvertrags direkt an die Klägerin ausgereicht wurden, sind sie doch Teil eines Gesamtkonzepts. In diesem Gesamtkonzept kommt der Mietpreisbindung kein eigenständiger Wert zu, der als sonstige Leistung neben den Kaufpreis für das unbebaute Grundstück tritt, sondern sie ist auch in diesem Fall nur im Zusammenhang mit den zinsgünstigen Darlehen zu sehen und gleicht sich mit diesen im Wert aus.

BFH, Urteil vom 23. November 2022 - II R 26/21 -
Autor: Hans-Joachim Beck


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