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Auch ein Umzug in die Nachbarwohnung kann unzumutbar sein
Depression mit Suizidgefahr
15.02.2023 (GE 1/2023, S. 19) Wenn dem Mieter nach einer Räumung erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen oder Suizidgefahr besteht, kann das Mietverhältnis vom Gericht verlängert werden (vgl. Bundesverfassungsgericht GE 2022, 626). Eine mangelnde Therapiebereitschaft schließt das nicht aus. Der BGH legt in einem umfassend begründeten Urteil dar, wann unzumutbare Härten vorliegen.
Der Fall: Der Vermieter wollte mit seinem gehbehinderten Lebensgefährten zusammenziehen und dazu einen Durchbruch zum Aufzug mit direktem Zugang in die Wohnung schaffen. Die 1942 geborene Mieterin widersprach der Eigenbedarfskündigung und lehnte auch einen Umzug in eine Nachbarwohnung auf demselben Stock ab unter Berufung auf eine schwere Depression bis hin zu Suizidideen. Das AG und ihm folgend das LG ordneten die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit an; die Revision war erfolglos.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof hielt Härtegründe für den Kündigungswiderspruch für erwiesen, da die mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten hier deutlich überschritten seien. Auch die krankhaft bedingte mangelnde Therapiebereitschaft der Mieterin stehe dem nicht entgegen, da das in Art. 2 Grundgesetz enthaltene Gebot zum Schutz des Lebens auch dann gelte, wenn der Schuldner unfähig sei, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation angemessen zu bewältigen. Das Angebot der Ersatzwohnung sei für die Mieterin krankheitsbedingt keine Alternative und führe aus ihrer Sicht zu einer ausweglosen Situation. Auch die Interessenabwägung mit den Belangen des Vermieters, der einen stufenlosen Zugang zu der vergrößerten Wohnung als Alterswohnsitz nicht realisieren könne, führe zu keinem anderen Ergebnis. Schließlich stehe ihm derzeit eine zumutbare Wohnmöglichkeit zur Verfügung. Wegen der geringen Erfolgsaussichten einer Therapie sei eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Revision sei eine Verlängerung auf eine bestimmte Zeit nicht der Regelfall.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 37 und in unserer Datenbank.


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