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Auch kostspielige Baumaßnahmen zumutbar
Notwegrecht für Wohnhaus in Hanglage
07.12.2022 (GE 21/2022, S. 1089) Wenn ein Wohnhaus nicht mit einem Auto angefahren werden kann, hat der Eigentümer grundsätzlich einen Anspruch gegen den Nachbarn auf Einräumung eines Notwegrechts. Der BGH hatte sich mit einem Fall zu befassen, bei dem wegen der Hanglage mehrere Zufahrtsmöglichkeiten in Betracht kamen, und damit auch mehrere Duldungspflichtige.
Der Fall: Die Baugenehmigung für das Hinterliegergrundstück in Hanglage enthielt die Bestimmung, dass Zugang und Zufahrt über das vordere Grundstück herzustellen seien; eine entsprechende Grunddienstbarkeit wurde eingetragen. Eine Zufahrt wurde nicht geschaffen; zum Haus des Klägers führt eine Treppe. Die Zufahrt war bisher durch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit einem anderen Nachbarn (B) gegeben, dessen Grundstück über ein Wegerecht an dem Flurstück 3713 mit der Straße verbunden war. Nach Kündigung der schuldrechtlichen Vereinbarung verlangte der Kläger von B die weitere Duldung der Zufahrt. Das Oberlandesgericht verneinte einen Anspruch auf einen Notweg, weil das Verbindungsproblem bewusst dadurch herbeigeführt worden sei, dass ein Haus ohne Zufahrt errichtet wurde, so dass § 918 BGB entsprechend anzuwenden sei.

Das Urteil: Der BGH hielt das für rechtsfehlerhaft, weil § 918 BGB nur für eine willkürliche Aufhebung der Verbindung zur öffentlichen Straße gelte; eine Regelungslücke als Voraussetzung einer entsprechenden Anwendung bestehe nicht. Es gebe keinen allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Duldungspflicht des Nachbarn für einen Notweg dann ausscheidet, wenn der Eigentümer durch Baumaßnahmen auf seinem Grundstück die Notsituation selbst herbeigeführt hat. Die Errichtung des Hauses auf dem Grundstück des Klägers sei rechtmäßig gewesen; dass die Baugenehmigung die Auflage enthalten habe, auf dem vorderen Grundstück eine Zufahrt zu erstellen, was nicht erfüllt worden sei, steht dem nicht entgegen. Der Kläger habe deshalb grundsätzlich einen Anspruch auf einen Notweg, der sich gegen mehrere Verpflichtete richten könne. Zum einen sei das der Nachbar B, gegen den als Eigentümer sich der Anspruch richten könne. Zugleich sei aber auch der Nachbar B als Berechtigter der Dienstbarkeit an dem Flurstück 3713 duldungspflichtig, weil ein Notwegerecht nicht nur gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks geltend gemacht werden könne, sondern auch nach §§ 916, 917 BGB gegen einen Wegeberechtigten.
Vorrangig sei aber die Verbindungsmöglichkeit über das vordere Grundstück, für die eine Grunddienstbarkeit bestellt worden sei. Hier müsse der Kläger mit notfalls hohem finanziellen Aufwand eine Verbindung herstellen, soweit dies technisch möglich sei. Maßgeblich seien die heutigen Verhältnisse. Nur wenn die Zufahrt über das vordere Grundstück nicht möglich sei und auch die fußläufige Erreichbarkeit des Grundstücks über die Treppe nicht ausreiche, komme eine Duldungspflicht des Beklagten für Zufahrt und Zugang in Betracht. Dabei sei eine Notwegrente festzusetzen, wobei maßgeblich die Minderung des Verkehrswerts des Grundstücks von B und der Umfang der Beeinträchtigung der Dienstbarkeit für das Flurstück 3713 sei.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 1155 und in unserer Datenbank.


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