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Mietspiegel 2021 als „sonstiges Begründungsmittel“
Landgericht Berlin [ZK 67]
04.08.2022 (GE 13/2022, S. 665) Das Landgericht Berlin [ZK 67] hat, wie bereits kurz berichtet (GE 2022 [12] 603), entschieden, dass Mieterhöhungen auch mit dem Mietspiegel 2021 formal ausreichend begründet werden können, auch wenn es sich bei diesem Mietspiegel weder um einen einfachen noch um einen qualifizierten handelt. Die im Gesetz genannten Begründungsmittel (Mietspiegel, Sachverständigengutachten, Vergleichswohnungen) seien nicht abschließend. Das Landgericht teilt damit die Rechtsauffassung, die in dieser Zeitschrift bereits bei der Besprechung der gegenteiligen Entscheidung des Amtsgerichts Spandau (GE 2022 [5] 227, 255) vertreten wurde (Blümmel, GE 2022 [5] 209), Beck, GE 2022 [6] 293 ff.). Ob der als formales Begründungsmittel taugliche Mietspiegel 2021 auch für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete geeignet ist, ließ das Landgericht dahinstehen; eine richterliche Schätzung sei auf Grundlage des Vorgängermietspiegels 2019 möglich.
Der Fall: Die Vermieterin verlangte vom Mieter Zustimmung zur Mieterhöhung und begründete ihr Mieterhöhungsverlangen vom 18. Juni 2021 mit dem Berliner Mietspiegel 2021. Das AG hatte die Klage abgewiesen, weil es sich beim Mietspiegel 2021 weder um einen qualifizierten noch um einen einfachen Mietspiegel handele.

Das Urteil: Das LG Berlin [ZK 67] hielt die Mieterhöhungserklärung formal wie inhaltlich für wirksam, auch wenn es sich bei dem von der Klägerin zur Begründung herangezogenen Berliner Mietspiegel 2021 um keinen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel handele, und verurteilte den Mieter zur Zustimmung.
Die zur (formalen) Begründung einer Mieterhöhung im Gesetz genannten Begründungsmittel seien nicht abschließend. Die gesetzliche Begründungspflicht verfolge allein den Zweck, dem Mieter erste Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu geben. Diesen Mindestanforderungen zur Vermittlung eines ersten Anhalts genüge der Berliner Mietspiegel 2021 auf jeden Fall, selbst wenn er den Mietspiegel 2019 nur linear fortschreiben und damit womöglich von einem kürzeren (vier Jahre) als dem in § 558 Abs. 2 BGB n.F. ausgewiesenen Bezugszeitraum (sechs Jahre) ausgehen sollte.
Die von der Klägerin verlangte Miete überschreite auch die ortsübliche Miete i.S.d. § 558 Abs. 2 BGB nicht. Insoweit bedürfe es keiner Entscheidung der Kammer, ob der als formales Begründungsmittel taugliche Berliner Mietspiegel 2021 ebenfalls geeignet sei, der Kammer jedenfalls im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete zu erlauben. Denn es stehe der Kammer frei, die Vergleichsmiete hier unter Zugrundelegung des für eine richterliche Schätzung geeigneten Berliner Mietspiegels 2019 zu bestimmen. Die Kammer könne mit dem für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Überzeugungsgrad überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund des allgemeinen Preisanstiegs ebenfalls davon ausgehen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für mit der streitgegenständlichen Mietsache vergleichbaren Wohnraum im Zeitraum 1. September 2018 bis zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens im Juni 2021 nicht von 8,03 €/m2 auf die von der Klägerin lediglich verlangten 7,64 €/m2, und damit um nahezu 5 % gesunken sei. Angesichts dieser erheblichen Differenz könne es die Kammer – ein weiteres Mal im
Wege der Schätzung – für gegeben erachten, dass es für die zutreffende Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2019 unerheblich sei, dass diesem ein Bezugszeitraum von lediglich vier Jahren zugrunde liege, während § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB in ab 1. Januar 2020 geltender Fassung auf die in den letzten sechs Jahren vereinbarten/geänderten Entgelte abstellt. Revision hat die Kammer nicht zugelassen.

Anmerkung: Zweifellos eine hilfreiche Entscheidung für beide Vertragsparteien – insbesondere für Vermieter, jedenfalls im Geschäftsbereich der ZK 67 (als Berufungsgericht zuständig für die AG Mitte einschließlich vormals AG Tiergarten und AG Spandau). Gleiches gilt für den Geschäftsbereich der ZK 65 (zuständig für AG Neukölln und AG Pankow), die den Mietspiegel 2021 für einen einfachen Mietspiegel hält (vgl. Seite 666).
Dass die ZK 67 keine Revision zugelassen hat, ist aus zweierlei Gründen unverständlich: Zum einen verhindert sie die Klärung der grundsätzlichen Frage nach der Rechtsqualität des Berliner Mietspiegels 2021 (ohne sich übrigens mit den gewichtigen Gründen in der Literatur auseinanderzusetzen, die den Mietspiegel für ein rechtliches Nullum halten). Zum anderen mogelt sie sich mit Hilfe des konkreten Falls, in dem die vom Vermieter verlangte Miete noch unterhalb des Wertes aus dem Mietspiegel 2019 lag, um die Frage herum, wie denn im Streitfall die ortsübliche Einzelvertragsmiete in weniger einfach gelagerten Fällen zu ermitteln wäre.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 690 und in unserer Datenbank. 
Autor: Dieter Blümmel


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