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Fristlose Kündigung wegen schwerer Beleidigung des Vermieters via „Soziale“ Medien
Auf Facebook: „Entmieten durch Vergasen“
02.08.2021 (GE 13/2021, S. 796) Der in einer öffentlich zugänglichen Gruppe auf Facebook abgesetzte Kommentar eines Gewerbemieters „Entmieten durch Vergasen“ stellt eine nicht von der Meinungsfreiheit gedeckte schwere Beleidigung und Verleumdung des Vermieters dar und berechtigt diesen zur fristlosen Kündigung.
Der Fall: Nachdem in einem Gebäude der Kläger ein Feuer ausgebrochen war, posteten Gewerbemieter nach erfolgtem Feuerwehreinsatz im Mietobjekt auf Facebook „Entmieten durch Vergasen“. Den Vorwurf, sie würden absichtlich Gas entweichen lassen, um die Mieter des Hauses zum Zwecke der Entmietung zu töten („vergasen“), empfanden die Kläger als so ungeheuerlich, dass sie das Mietverhältnis mit den Beklagten fristlos kündigten – mit Erfolg.

Das Urteil: Das Absetzen eines Kommentars „Entmieten durch Vergasen“ in einer öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe durch einen Mieter stellt (auch) im Mietverhältnis über Gewerberäume einen wichtigen Grund i.S.d. § 543 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB dar, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
Beleidigungen und Verleumdungen durch den Mieter stellen grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung seitens des Vermieters dar, wenn die Unzumutbarkeitsgrenze überschritten ist.
Bloße Unhöflichkeiten oder missliebige Handlungen ohne ehrverletzenden Charakter genügen nicht, insbesondere, wenn bereits eine Streitatmosphäre besteht oder wenn sie als eine momentane und vereinzelt gebliebene Unbeherrschtheit zu bewerten sind.
Stützt sich eine Kündigung wesentlich auf eine Äußerung, erfordert die Meinungsfreiheit eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen; die Meinungsfreiheit tritt dabei nur ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück.
Ein die ehrbeeinträchtigende Wirkung einer Äußerung verstärkendes Medium kann insbesondere das Internet sein, wobei nicht allgemein auf das Medium als solches, sondern auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen ist.
Der Kommentar „Entmieten durch Vergasen“ überschreitet auch unter Berücksichtigung sämtlicher zugunsten des Mieters in Betracht zu ziehender Umstände die Unzumutbarkeitsgrenze. Der Satz „Entmieten durch Vergasen“ nehme nach dem objektiven Verständnishorizont eines durchschnittlich verständigen und gebildeten Lesers Bezug zur NS-Herrschaft, wo zur Verwirklichung von Bauvorhaben Juden aus ihren Wohnungen „entmietet“ und „vergast“ wurden, und sei eine Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch. Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem Verhalten der Vermieterpartei und den Unrechtshandlungen des NS-Regimes sei in einer öffentlich zugänglichen Gruppe auf Facebook erfolgt und habe damit eine nicht von vornherein beschränkte Reichweite. Soweit man den Leserkreis einerseits dahingehend eingrenzen möchte, dass üblicherweise nur die Mitglieder der Gruppe von dem Kommentar Kenntnis erlangen, so sei andererseits zu berücksichtigen, dass ein Beitrag zu einem Feuerwehreinsatz mit einem Kommentar wie dem hier streitgegenständlichen eine unkontrollierte Verbreitung im Internet erfahren könne.
Zudem sei bei der konkreten Gruppe zu berücksichtigen, dass die Mitglieder typischerweise eher zugunsten der Interessen und Standpunkte der Mieterseite eingestellt seien. Die Gruppe verfolge insoweit ein legitimes Ziel, nämlich u. a. auf die steigenden Mietpreise aufmerksam zu machen und Abhilfe zu erreichen. Das Thema steigende Mietpreise stehe auch im Fokus der Medien und der Politik. Dass ein Kommentar wie der streitgegenständliche eine zumindest im Mindestmaß faire Auseinandersetzung mit der Vermieterseite nicht begünstige, sondern eher zu einer Aufstachelung zu Lasten der Vermieterseite und damit zu einer Verfestigung der gegen die Kläger gerichteten Stimmungslage führen werde, sei anzunehmen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2021, Seite 822 und in unserer Datenbank. 


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