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Die „magische Grenze“ für Flächenabweichungen liegt keineswegs immer und unverrückbar bei 10 %
Nach einem Umbau noch vor Übergabe waren die Mieträume plötzlich kleiner
26.02.2021 (GE 3/2021, S. 152) In seiner Entscheidung vom 24. März 2004 -VIII ZR 295/03 - (GE 2004, 682) hatte der BGH die Diskussion darüber, ob und ab wann eine Flächenabweichung einen zur Minderung berechtigenden Mangel begründen kann, im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit mit der Festlegung einer 10-%-Grenze beendet. Bei einer Überschreitung soll danach der Mieter zusätzlich nicht mehr darlegen müssen, dass die Gebrauchstauglichkeit infolge der Flächendifferenz gemindert ist. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass bei einer die Grenze nicht überschreitenden Flächenabweichung eine Minderung stets ausgeschlossen ist; in diesem Fall muss der Mieter aber konkret darlegen und ggf. auch beweisen, dass durch die geringere Flächenabweichung der vertragsgemäße Gebrauch der Mieträume tatsächlich beeinträchtigt ist. Hiermit befasst sich die Entscheidung des BGH, in der es um die Auswirkungen einer Flächenabweichung eines Übungsraums einer Ballettschule im Verhältnis zur Gesamtfläche des Mietobjekts nach einem Umbau geht. Dabei kommt der BGH ganz grundsätzlich zu dem Ergebnis, dass die Unterschreitung der vertraglich vereinbarten durch die dem Mieter vom Vermieter tatsächlich überlassenen Fläche auch dann einen Sachmangel der Mietsache darstellt, wenn die Flächendifferenz die Folge von nach Abschluss des Mietvertrags erfolgten Umbauarbeiten ist, durch die diese Fläche dem angrenzenden Mietobjekt zugeschlagen worden ist.
Der Fall: Nachdem die Klägerin im Juni 2015 Räumlichkeiten zum Betrieb einer Ballettschule gemietet hatte, teilte die Vermieterin im August 2016 mit, dass die Mietfläche entgegen der Angabe im Mietvertrag nicht ca. 300 m2 betrage, sondern wegen durchgeführter Umbauarbeiten vor Übergabe etwa 10 % weniger. Die Klägerin lehnte die Bitte der Vermieterin um Unterzeichnung eines mit einem aktuellen Grundrissplan versehenen Nachtrags ab und verlangt gegenüber der Beklagten als jetzige Eigentümerin des Mietobjekts die Feststellung, dass sie berechtigt sei, die monatliche Miete von derzeit 4.900 € um 10 % zu mindern.

Die Entscheidung: LG und OLG München verneinten einen entsprechenden Anspruch; der BGH wies die von ihm zugelassene Revision zurück. Zwar habe sich wegen der nach Abschluss des Mietvertrages vorgenommenen Umbauarbeiten die Grundfläche eines Übungsraums um ca. 10 m2 verkleinert, weil diese Fläche dem angrenzenden Mietobjekt zugeschlagen worden sei. Diese Verringerung stelle auch einen Sachmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, weil entgegen dem bei Abschluss des Mietvertrages beigefügten Grundrissplan die für den Raum dort beschriebene Größe von ca. 88,5 m2 nunmehr etwa 10 m2 kleiner sei. Allerdings liege – bezogen auf die Gesamtfläche – eine Unterschreitung von 10 % nicht vor, so dass die Vermutung einer Gebrauchsbeeinträchtigung nicht eingreife. Hierdurch werde aber die Geltendmachung eines Mangels nicht ausgeschlossen; erforderlich sei jedoch in solchen Fällen, dass der Mieter konkret darlege, durch die Flächenabweichung im vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache tatsächlich beeinträchtigt zu werden. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, dass sie auf den fehlenden 10 m2 im betreffenden Übungsraum vier zusätzliche Schüler hätte unterrichten können, so dass ihr mögliche Einnahmen verloren gegangen seien. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um eine abstrakte Behauptung, nicht jedoch um nachprüfbaren Vortrag dazu, dass die Klägerin durch die geringere Nutzfläche konkret im Gebrauch des Übungsraums beeinträchtigt sei.

Anmerkung: Die Anforderungen an die Darlegung der Gebrauchsbeeinträchtigung scheint die Klägerin auf den ersten Blick erfüllt zu haben. Größere Fläche: mehr Schüler, kleinere Fläche: weniger Schüler. Die Klägerin hätte aber darlegen müssen, wie sich der Ballettunterricht im Einzelnen bei den unterschiedlichen Größen darstellt, wie sich also z. B. die Raumaufteilung im jetzigen Zustand darstellt und wie sie bei einer um 10 m2 größeren Fläche ablaufen könnte. Nur dann hätte sich eine etwaige Gebrauchsbeeinträchtigung nachvollziehen lassen. Die Einschätzung des BGH ist keineswegs als kleinlich anzusehen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 175 und in unserer Datenbank. 
Autor: VRiKG a. D. Hans-Jürgen Bieber


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