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Behandlung von Rohrleitungswärme bei mangelhaft gedämmten Heizungsrohren im Wohnungseigentum
WEG-Heizkostenabrechnung
20.04.2020 (GE 7/2020, S. 443) § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV, wonach bei freiliegenden, überwiegend ungedämmten Leitungen der Wärmeverteilung der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden kann, ist nicht nur im Mietrecht (BGH GE 2017, 709), sondern auch im Wohnungseigentumsrecht auf überwiegend ungedämmte, aber nicht freiliegende Rohrleitungen nicht analog anwendbar. In den Fällen der sog. Rohrwärmeabgabe kann eine Verteilung der Kosten des Wärmeverbrauchs auch dann nicht nach § 9a Abs. 1 und 2 HeizkostenV (Kostenverteilung in Sonderfällen) erfolgen, wenn von den elektronischen Heizkostenverteilern infolge der Rohrwärmeverluste weniger als 20 % der abgegebenen Wärmemengen erfasst wird.
Der Fall: Die WEG-Anlage besteht aus 154 Wohnungen in Mehrfamilien-Doppelhäusern. Die anfechtende Klägerin ist Eigentümerin von 20 Dachgeschosswohnungen. Es ist beschlossen, die Heizkosten im Verhältnis von 30 % Grundkosten : 70 % Verbrauchskosten aufzuteilen. Die Heizkörper in den Wohnungen sind mit elektronisch messenden Heizkostenverteilern ausgestattet. Die im Keller der Häuser verlaufenden Leitungen sind freiliegend und überwiegend gedämmt. Die Verteilungsleitungen innerhalb der Wohnungen liegen unter Putz, sind aber schlecht oder gar nicht weiter gedämmt. In den am 28. November 2015 beschlossenen Hausgeldabrechnungen für 2014 erfolgte die Aufteilung der hierin enthaltenen Heizkosten zu 30 % als Grundkosten und zu 70 % nach Verbrauch. Das AG hat der Klage auf Ungültigerklärung der Hausgeldabrechnung stattgegeben, weil die Verteilerleitungen innerhalb der Wohnungen nicht frei, sondern unter Putz lägen. Das LG hat die Berufung der übrigen Wohnungseigentümer zurückgewiesen, jedoch die Revision zugelassen.

Das Urteil: Der BGH weist die Klage ab, weil die angefochtene Hausgeldabrechnung bezüglich der Heizkosten den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Falsch ist bereits die Annahme der Vorinstanzen, dass sich die Anfechtungsklage der Klägerin nur gegen die ihr erteilte Einzelabrechnung richtet. Denn bei einem Erfolg der Klage wären zwangsläufig alle Einzelabrechnungen insoweit für ungültig zu erklären, weil sich ein Fehler bei einem Eigentümer auch auf die Abrechnung der anderen auswirkt. Die Klägerin wendet sich gegen die Verteilung der Heizkosten insgesamt, so dass alle Einzelabrechnungen 2014 als Verfahrensgegenstand anzusehen sind. Das abweisende Berufungsurteil kann keinen Bestand haben, weil die Klägerin die Heizkostenverteilung nicht beanstanden kann. Der Wärmeverbrauch der einzelnen Wohnungen musste nicht in Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenVO bestimmt werden. Denn es handelt sich nicht um freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung, die ungedämmt sind, und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs durch die Messgeräte nicht erfasst wird. Eine analoge Anwendung auf überwiegend ungedämmte, aber wie hier nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung kommt nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (BGH, Urteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 5/16, GE 2017, 709 = ZMR 2017, 462). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an, denn sie gilt in gleicher Weise für das Wohnungseigentumsrecht. Ebenso wenig mussten die Kosten in Anwendung von § 9a Abs. 1 und 2 HeizkostenVO verteilt werden. In den Fällen der sogenannten Rohrwärmeabgabe kann eine Verteilung der Kosten des Wärmeverbrauchs auch dann nicht nach der genannten Sondervorschrift erfolgen, wenn von den elektronischen Heizkostenverteilern infolge der Rohrwärmeverluste weniger als 20 % der abgegebenen Wärmemengen erfasst wird. Ein Geräteausfall im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Die elektronischen Heizkostenverteiler sind ordnungsgemäß installiert und funktionieren auch so. Die geringe Erfassungsrate der abgegebenen Wärme stellt auch keinen anderen zwingenden Grund im Sinne des § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO dar. Die Messinstrumente funktionieren hier fehlerfrei.
Die Anfechtbarkeit der Jahresabrechnung 2014 (Einzel- und Gesamtabrechnung) wegen des Fehlens der Darstellung der Entwicklung der Bankkonten scheidet deshalb aus, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Verwalter noch vor der Eigentümerversammlung Rechnungsprüfungsberichte versandt hat, die die erforderlichen Kontodaten enthielten. Dadurch wurden die Wohnungseigentümer rechtzeitig in die Lage versetzt, die rechnerische Schlüssigkeit der Jahresabrechnung zu überprüfen.

Anmerkung: Der Wohnungseigentümer, der durch den von den Wohnungseigentümern gewählten Kostenverteilungsschlüssel aufgrund der nicht erfassten Rohrwärme benachteiligt wird, ist nicht schutzlos gestellt. Er kann die anderen Wohnungseigentümer mit der gerechteren Verteilung der Heizkosten befassen und einen Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG über eine andere Ausfüllung des von der HeizkostenVO vorgegebenen Rahmens, insbesondere über die Wahl eines möglichen Verteilungsmaßstabs, herbeiführen; unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG kann er darauf einen Anspruch haben. In Betracht kommt etwa die Anwendung eines Umlagemaßstabs von 50 % Verbrauchskosten zu 50 % Grundkosten. Der Wohnungseigentümer kann gegebenenfalls auch das Ergreifen technischer Maßnahmen verlangen, wie das Absenken der Vorlauftemperatur oder die Anbringung von für die Erfassung der Rohrwärme geeigneteren Messgeräten (z. B. Verdunstungsgeräte).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 474 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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