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Weniger Parkplätze, mehr Wohnraum
Moderne Mobilitätskonzepte für den geförderten Wohnungsbau
05.10.2017 (GE 18/2017, S. 1044) Zu viele Stellplätze sind nicht nur unnötige Platzfresser und Kostentreiber, teilweise verhindern sie sogar den Bau von dringend benötigtem Wohnraum in Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Dennoch schreiben die kommunalen Satzungen oft eine Anzahl von Stellplätzen vor, die aufgrund eines veränderten Mobilitätsverhaltens nicht mehr benötigt werden. Das zeigen die Erfahrungen aus der Stellplatzbewirtschaftung von Sahle Wohnen, einem mittelständischen Familienunternehmen mit einem Bestand von mehr als 21.000 Wohnungen in über 40 Städten, u. a. Bonn, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln, Münster, aber auch in Berlin, Hamburg und Frankfurt.
Bei einem Bestand von bundesweit mehr als 21.000 Wohnungen bewirtschaftet das westfälische Wohnungsunternehmen über 13.100 Stellplätze. Trotz intensiver Vermietungsanstrengungen und der Vermietung auch an sogenannte „Fremdparker“, also Nicht-Mieter, stehen durchschnittlich 10 % aller Stellplätze leer. Einen nachweisbaren Minderbedarf gibt es dabei vor allem im geförderten Wohnungsbau und bei Seniorenwohnungen. Nach den Bestandsauswertungen des Unternehmens reicht für geförderte Seniorenwohnanlagen bei guter ÖPNV-Anbindung ein Schlüssel von ca. 0,3 Stellplätzen pro Wohnung völlig aus. Bei gemischter Belegung der geförderten Wohnungen ist ein Schlüssel von ca. 0,5 realistisch. Freifinanzierte Wohnungen hingegen benötigen i. d. R. einen Stellplatz pro Wohnung, da die Haushalte über mehr Einkommen und mehr Pkw verfügen.
Wird pro Wohnung ein Tiefgaragenstellplatz errichtet, erhöht dies die Baukosten um durchschnittlich 415 € pro m² Wohnfläche. Gerade für preisgünstigen Wohnraum in Ballungszentren mit gutem ÖPNV-Netz kann der verlangte Stellplatzschlüssel ein Hebel zur Kostendämpfung sein.
Für den Leerstand von Stellplätzen gibt es verschiedene Gründe. Ein Auto ist für einen Teil der Mieter im geförderten Wohnungsbau einfach nicht finanzierbar. Schon allein der Unterhalt eines günstigen Kleinwagens belastet das Haushaltsbudget mit mehr als 300 € im Monat. Hinzu kommt, dass jüngere Menschen oft bewusst auf einen eigenen Pkw verzichten, weil sie diesem keinen besonderen Statuswert mehr beimessen. Ältere Menschen hingegen schafften ihr Auto in der Regel ebenfalls aufgrund der geringen Rentenhöhe ab, oder weil sie sich dem städtischen Verkehr nicht mehr gewachsen fühlen. Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen nutzen stattdessen vermehrt den ÖPNV im Zusammenspiel mit Carsharing-Angeboten, E-Bike oder Fahrrad.
Verändertes Mobilitätsverhalten und Wohnungsknappheit drängen immer mehr Städte zum Handeln. Neben der Entwicklung neuer innerstädtischer Mobilitätskonzepte rücken sie von dem bisher üblichen Stellplatzschlüssel – je Wohnung ein Stellplatz – ab. Beispiel Berlin: In der Landesbauordnung wurden die allgemeinen Stellplatzvorgaben abgeschafft, nachzuweisen sind nur noch Pkw-Stellplätze für gehbehinderte Bewohner, Rollstuhlnutzer und – falls erforderlich – Fahrradstellplätze in ausreichender Zahl. Beispiel Düsseldorf: Die neue Stellplatz-Richtlinie der Stadt macht die Zahl der nachzuweisenden Stellplätze im Wohnungsbau u. a. von der Qualität der ÖPNV-Anbindung abhängig.
Sahle Wohnen fördert bereits an verschiedenen Standorten Alternativen zum eigenen Auto. In Bonn hat das Wohnungsunternehmen drei Carsharing-Stationen in seinen Wohnanlagen eröffnet, ab Mitte September wird in der Wohnanlage in Münster-Gievenbeck ebenfalls ein Stadtteil-Auto stehen und die Book-n-Drive-Station in der Wohnanlage an der Friedberger Warte in Frankfurt durch eine neue cityFlitzer-Station ergänzt. Einen weiteren Baustein moderner Mobilität hat Sahle Wohnen schon im Visier. Man denkt ebenso darüber nach, wie man die E-Mobilität künftig in den Wohnanlagen fördern kann.
Durch zunehmende Carsharing-Angebote und alternative E-Mobilität sinkt der Stellplatzbedarf pro Wohnung weiter. Bei Sahle Wohnen hält man es für an der Zeit, dass Politik und Verwaltung überall, wo geförderte Wohnungen fehlen, auch über den Kostentreiber Stellplätze nachdenken. Es könne schließlich nicht Aufgabe des geförderten Wohnungsbaus sein, teure Stellplätze für Fremdmieter zu schaffen.
Berlin hat die Zeichen der Zeit früher als andere erkannt, wie ein Blick in die Bauordnung Berlin zeigt. Die maßgebliche Stellplatzvorschrift dort lautet:

§ 49 Stellplätze,
Abstellplätze für Fahrräder
(1) 1Bei der Errichtung öffentlich zugänglicher baulicher Anlagen sind Stellplätze in ausreichender Anzahl und Größe für Menschen mit schwerer Gehbehinderung und für Rollstuhlnutzerinnen und Rollstuhlnutzer herzustellen. 2Sie müssen von den öffentlichen Straßen aus auf kurzem Wege zu erreichen und verkehrssicher sein. 3Werden öffentlich zugängliche bauliche Anlagen geändert oder ändert sich ihre Nutzung, so sind Stellplätze für Menschen mit Behinderung gemäß Satz 1 in solcher Anzahl und Größe herzustellen, dass sie die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Fahrzeuge aufnehmen können. 4Die Stellplätze können auf dem Baugrundstück oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück hergestellt werden, dessen Benutzung für diesen Zweck öffentlich-rechtlich gesichert ist.
(2) 1Bei der Errichtung von baulichen Anlagen, die Fahrradverkehr erwarten lassen, sind Abstellplätze für Fahrräder in ausreichender Anzahl und Größe herzustellen. 2Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. 3Die Abstellplätze sind auf dem Baugrundstück oder auf den davor gelegenen öffentlichen Flächen zu schaffen.
(3) 1Die Herstellung der Abstellplätze für Fahrräder nach Absatz 2 darf auch durch Zahlung eines Ablösebetrages vor Baubeginn erfüllt werden. 2Die für das Bauwesen zuständige Senatsverwaltung erlässt durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Höhe der Ablösebeträge. 3Die Ablösebeträge dürfen 90 % der durchschnittlichen Herstellungskosten unter Berücksichtigung anteiliger Grundstücksflächen nicht übersteigen. 4Die Ablösebeträge sind ausschließlich für den Bau von Fahrradabstellplätzen im Bereich von öffentlichen Verkehrsflächen oder anderen geeigneten Grundstücksflächen zu verwenden.


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