Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

News  →  Kurz notiert


Nur das Bereitstellen von Unterlagen genügt der Aufklärungspflicht nicht
Verkaufsinfos im Datenraum
20.11.2023 (GE 19/2023, S. 934) Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird.
Der Fall: Die Verkäuferin veräußerte der Klägerin mehrere Teileigentumseinheiten in einem großen Gebäudekomplex für 1.525.000 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Im Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme eines Beschlusses über die Dachsanierung mit wirtschaftlichen Auswirkungen von 5.600 € jährlich für den Käufer. Erst drei Tage vor dem Notartermin stellte die Verkäuferin das Protokoll einer Eigentümerversammlung vom November 2016 in diesen Datenraum ein. Daraus ergab sich, dass den Eigentümern der Gewerbeeinheiten aus geplanten Umbauarbeiten eine Sonderumlage von bis zu 50 Mio. € drohe. Ein darüber geführtes Verfahren endete nach Kaufvertragsschluss mit einem Vergleich: Eine Sonderumlage von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten solle in Höhe von zunächst 750.000 € – bei Bedarf bis zu 50 Mio. € – erhoben werden. Aus diesem Vergleich wurde die Klägerin zur Zahlung einer Sonderumlage in Anspruch genommen, woraufhin sie den Kaufvertrag anfocht.

Das Urteil: Der BGH sah im Verhalten der Beklagten eine Verletzung der Aufklärungspflicht im Rahmen der Vertragsverhandlungen. Diese Aufklärungspflicht bestehe unabhängig davon, dass diese Kosten größtenteils von anderen Eigentümern getragen werden sollten und eine Sonderumlage zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen noch nicht beschlossen gewesen sei.
Die für den Käufer bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis von offenbarungspflichtigen Umständen selbst zu verschaffen (hier durch im Datenraum zugängliche Informationen), schließe die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus.

BGH, Urteil vom 15. September 2023 - V ZR 77/22 -


Links: