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Müllabfuhr muss nicht rückwärts zum Grundstück fahren
Vorrang für Unfallverhütung
03.03.2023 (GE 2/2023, S. 73) Hauseigentümer müssen ihre Abfallbehältnisse für die Müllabfuhr dann an anderer geeigneter Stelle als an ihrem Grundstück selbst bereitstellen, wenn ihr Grundstück aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vom Sammelunternehmen angefahren werden kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Unternehmen das Grundstück nur rückwärts anfahren kann, was nach den Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger vermieden werden muss. Das hat das VG Neustadt/Weinstraße durch Urteil vom 15. Dezember 2022 entschieden.
Der Fall: Die Kläger haben sich mit ihrer Klage gegen eine Anordnung der Kreisverwaltung gewandt, ihre Abfallbehältnisse an der 50 m von ihrem Grundstück entfernten Straße, von der zu ihrem Grundstück nur ein schmaler Zufahrtsweg führt, aufzustellen. Sie hatten bis Anfang 2019 ihre Abfallbehältnisse zur Müllabholung direkt am Zufahrtsweg vor ihrem Grundstück bereitgestellt, sodass das Abfuhrunternehmen mit seinen Fahrzeugen rückwärts dort angefahren ist, um den häuslichen Abfall der Kläger aufzunehmen, weil auf dem Zufahrtsweg keine Wendemöglichkeit bestand.
Nachdem das Unternehmen eine weitere Rückwärtsanfahrt des Grundstücks der Kläger unter Berufung auf die Unfallverhütungsvorschriften abgelehnt hatte, gab die Kreisverwaltung den Klägern im Februar 2019 auf, ihre Abfallbehältnisse an der 50 m entfernten Einmündung des Zufahrtswegs in die Straße zur Müllabholung aufzustellen. Hiergegen wehrten sich die Kläger zunächst ohne Erfolg in einem Eilrechtsschutzverfahren beim Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht. Nach ebenfalls erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben sie Klage mit der Begründung, ihre Nachbarin dulde ein Wenden der Müllabfuhrfahrzeuge auf einer zu ihrem Grundstück gehörenden Parkplatzfläche. Im Übrigen fahre das Sammelunternehmen an anderer Stelle auch Grundstücke rückwärts an.

Das Urteil: Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht. Es hielt vielmehr an seiner im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schon geäußerten Auffassung fest, dass die Anordnung der Kreisverwaltung offensichtlich rechtmäßig sei: So sei weder erkennbar, dass die genannte Wendemöglichkeit auf dem Grundstück der Nachbarin hierfür tatsächlich geeignet und auch rechtlich ausreichend gesichert sei, noch könne das Sammelunternehmen verpflichtet werden, gegen die von ihm einzuhaltenden Unfallverhütungsvorschriften durch ein Rückwärtsanfahren des klägerischen Grundstücks zu verstoßen und hier ein Haftungsrisiko einzugehen, selbst wenn man – aus welchen Gründen auch immer – an anderer Stelle Grundstücke rückwärts anfahren sollte. Denn es obliege allein der nicht einzufordernden Entscheidung des Unternehmens, welche tatsächlich bestehenden Haftungsrisiken es eingehen könne. Das gelte umso mehr, als im vorliegenden Fall ein Rückwärtsein- oder -ausfahren auf eine stark befahrene Durchgangsstraße mit einem erhöhten Unfallrisiko erfolgen müsse, das schon mit einer vergleichsweise wenig schwerwiegenden Belastung für die Kläger, ihre Abfallbehältnisse nur 50 m entfernt zur Abholung bereitzustellen, vermieden werden könne.
Anmerkung: In Berlin wird die Frage, wie die Müllabfuhr organisatorisch abgewickelt wird, in der BSR-Abfallwirtschaftssatzung geregelt. Maßgeblich für die nächsten beiden Jahre ist diese in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 2022
(ABl. Berlin Nr. 53 vom 23. Dezember 2022 Seite 3764).
Nach § 2 Abs. 16 gilt als Ladestelle (die von der BSR festgelegt werden, aber beispielsweise aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch widerrufen werden können), der von den BSR im öffentlichen Straßenland oder auf dem Grundstück (Behälterstandplatz) bestimmte Übergabeort, an dem die Abfallbehälter am Entsorgungstag zur Leerung von den BSR übernommen werden.
Nach § 2 Abs. 26 gilt als Transportleistung im Sinne der Satzung die Überwindung eines Transportweges durch die BSR. Die Transportleistung ist gebührenpflichtig, soweit der Transportweg länger als 15 m ist oder Treppenstufen und ähnliche Hindernisse vorhanden sind. Ein zu überquerender öffentlicher Gehweg wird für die Ermittlung der gebührenpflichtigen Transportleistung nicht berücksichtigt.
Nach § 2 Abs. 27 ist Transportweg im Sinne dieser Satzung der Weg, auf dem die Abfall- und Wertstoffbehälter zur Entleerung von der Ladestelle (Straßenland oder Behälterstandort) bis zum Rand des von einem Standard-Entsorgungsfahrzeug der BSR gefahrlos befahrbaren Bereichs der nächst-
gelegenen Straße transportiert werden. Nicht entsprechend befahrbare Zufahrtswege sind Bestandteil des Transportweges.
§ 9 regelt u. a. die Anforderungen an Transportwege. Sie müssen grundsätzlich so beschaffen sein, dass die Abfälle mit möglichst geringem Aufwand gefahrlos eingesammelt und auf dem kürzesten Weg befördert werden können. Sie müssen den Erfordernissen der Bauordnung Berlin entsprechen. Darüber hinaus können die BSR weitere Anforderungen stellen, um ihre Pflichten zum Arbeitsschutz sowie zur gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen.
Der Zufahrtsweg für die Standard-Entsorgungsfahrzeuge der BSR von der Straße zur Ladestelle muss von Bord zu Bord eine lichte Breite von mindestens 3,55 m aufweisen. Der Zufahrtsweg muss so befestigt sein, dass er mit einer maximalen Einzelachslast von 11,5 t und einem Fahrzeuggesamtgewicht von 27 t dauernd benutzt werden kann. Für Durchfahrten ist eine lichte Höhe von 4,20 m erforderlich; die BSR können Ausnahmen zulassen. Ein- und Ausfahrten sowie Kurven sind mit Radien für dreiachsige Entsorgungsfahrzeuge auszulegen. Einschwenkbereiche, Kanten- bzw. Randbereiche müssen entsprechend aufgeweitet sein.
Wendeplatz: Zufahrtswege von über 15 m Länge erfordern grundsätzlich einen geeigneten Wendeplatz mit 25 m Durchmesser. Hiervon abweichende Wendeplätze/-stellen erfordern eine individuelle Prüfung und Bestätigung durch die BSR nach Vorlage eines entsprechenden Schleppkurvennachweises. Zufahrtswege, Durchfahrten sowie Abstell- und Wendeplätze dürfen zum Zeitpunkt der Entleerung nicht durch parkende Fahrzeuge oder andere Hindernisse blockiert sein. Die BSR sind berechtigt, das Befahren von Zufahrtswegen zu verweigern, wenn die Anforderungen an Zufahrten nicht erfüllt sind oder eine ausreichende Oberflächenbefestigung nicht besteht (z. B. bei Kies- und Schotterwegen, Flächen für Feuerwehr oder im Bau befindlichen Wegen).

VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 15. Dezember 2022 - 4 K 488/22.NW


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