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Nichtbeachtung gesetzlicher Formulierungen: Wenn nach wie vor der Wirtschaftsplan beschlossen wird
WEG-Reform ist noch nicht bis zur letzten Eigentümergemeinschaft vorgedrungen
11.07.2022 (GE 12/2022, S. 619) Ein Beschluss, mit welchem nach der WEG-Reform 2020 weiterhin „der Wirtschaftsplan“ beschlossen wird, ist jedenfalls nicht insgesamt mangels Beschlusskompetenz nichtig, sofern sich der vom Verwalter vorgeschlagene und von den Eigentümern beschlossene Wirtschaftsplan sinngemäß im Rahmen der gesetzlichen Formulierungen hält; in diesem Fall besteht für die Vorschusszahlungen nach wie vor eine Zahlungspflicht.
Der Fall: Mit der Klage wurde eine Forderung aus einem Wirtschaftsplan geltend gemacht, die im Laufe des Rechtsstreits gezahlt wurde. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen ging es nur noch um die Frage der Kostentragung. Das AG hat die Kosten des Rechtsstreits der Klägerseite auferlegt, weil nach dem Klägervortrag „der Wirtschaftsplan“ beschlossen worden ist und nicht nach § 28 Abs. 1 WEG wortgemäß über die Vorschüsse und Rücklagen. Hiergegen die sofortige Beschwerde der Klägerseite.

Die Entscheidung: Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Zu entscheiden ist nach billigem Ermessen. Der Beklagte hat bereits mit der Klageerwiderung die Erledigung erklärt und angegeben, gezahlt zu haben. Damit hat er sich bereits freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben. Die Ausnahmevoraussetzungen des § 93 ZPO lagen nicht vor, denn die Forderungen waren fällig und der Beklagte in Verzug. Zu seiner Verteidigung hat der Beklagte lediglich den Eigentümerbeschluss über den Wirtschaftsplan infrage gestellt, den die Klägerin vorgelegt hat. Zu bemängeln wäre nämlich bei der Wirksamkeit des Wirtschaftsplans allenfalls, dass dieser sich nicht formal nach den Bezeichnungen richtet, die nach der WEG-Reform 2020 in § 28 Abs. 1 WEG für den Wirtschaftsplan vorgesehen sind. Formal ist nach der Gesetzesvorschrift über „Vorschüsse zur Kostentragung“ und die „vorgesehenen Rücklagen“ zu beschließen unter Angabe der „voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben“. Dies ist eine Umformulierung der früheren Gesetzesfassung, wonach der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen hat, der enthält: 1. die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben, 2. die anteilmäßig Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung sowie 3. die Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer zu der Instandhaltungsrückstellung. Dass die Begriffe der Neufassung des Gesetzes nicht wortgetreu in dem beschlossenen Wirtschaftsplan auftauchen, macht diesen jedenfalls nicht nichtig oder zumindest teilnichtig. Jedenfalls sind Verpflichtungen zu den Vorschusszahlungen beschlossen worden, was für die Zahlungsklage allein relevant ist.

Anmerkung: Das LG betont, dass durch die sinngemäß zutreffenden, lediglich begrifflich abweichenden Bezeichnungen für Vorschusszahlungen usw. jedenfalls nicht eine totale Nichtigkeit hergeleitet werden kann. Der unangefochtene Eigentümerbeschluss, auf den sich die Zahlungsforderungen stützen, hielt sich sowohl nach altem als auch nach neuem Recht sinngemäß im Rahmen der gesetzlichen Beschlusskompetenz.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 647 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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