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Ausschluss der Eigenbedarfskündigung bindet im Regelfall auch den Erwerber einer Wohnung
Formwahrung bei Auslagerung wesentlicher Bestandteile des Mietvertrags
31.08.2020 (GE 15/2020, S. 963) Bei Auslagerung wesentlicher Bestandteile des Mietvertrags in andere Schriftstücke ist die Einheit der Urkunde gewahrt, wenn die Zusammengehörigkeit der Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht wurde, was durch eine Verbindung (z. B. Klammern) mit dem Mietvertrag geschehen kann oder (alternativ) eine Unterzeichnung und Bezugnahme auf den Hauptvertrag. Eine Mieterhöhung im Wohnraummietverhältnis führt nicht zum (Schrift-) Formmangel. Selbst wenn sich ein vereinbarter Ausschluss der Eigenbedarfskündigung dem Wortlaut nach auf einen namentlich bezeichneten Vermieter bezieht, bindet sie den Erwerber, sofern es keine Anhaltspunkte gibt, dass die Mietvertragsparteien den Kündigungsausschluss nur für den Zeitraum vereinbaren wollten, in dem die Wohnung im Eigentum des vertragsschließenden Vermieters stand.
Der Fall: Der Kläger kündigte dem Beklagten wegen Eigenbedarfs und verlangt vorliegend Räumung und Herausgabe der von diesem innegehaltenen Wohnung. Der Beklagte und der Vorvermieter hatten jedoch in einem Anhang zum Mietvertrag vom 15. Oktober 1998 den Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs vereinbart, was der Kläger als Erwerber mit verschiedenen Argumenten nicht gegen sich gelten lassen will. Unter anderem rügt er, dass die Vereinbarung des Ausschlusses der Kündigung wegen Eigenbedarfs für mehr als ein Jahr in der Anlage zum Mietvertrag nicht der Schriftform genügt. Außerdem sei bei weiteren Nachträgen, auch bei Mieterhöhungen, die Schriftform nicht gewahrt gewesen, ihm sei es als Erwerber so auch nicht möglich gewesen, sich ein genaues Bild über das zu verschaffen, was insgesamt eigentlich formwirksam vereinbart war und was nicht. Außerdem lese er den in der Anlage vereinbarten Kündigungsausschluss so, dass er nur mit dem ursprünglichen Vermieter vereinbart worden sei und ihn als Erwerber nicht binde.

Das Urteil: Das LG hat die Räumungsklage abgewiesen. Bei Auslagerung wesentlicher Bestandteile des Mietvertrags in andere Schriftstücke wie hier sei die Urkundeneinheit gewahrt, wenn die Zusammengehörigkeit der Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht wurde, was durch eine Verbindung mit dem Mietvertrag geschehen könne oder (alternativ) durch eine Unterzeichnung und Bezugnahme auf den Hauptvertrag. Diesen Anforderungen werde die Anlage zum Mietvertrag gerecht. Sie sei von beiden Mietvertragsparteien unterschrieben, beziehe sich auf den Mietvertrag vom selben Tag, Mietvertrag und Anlage nähmen wechselseitig konkret bezeichnet aufeinander Bezug. Dem Zweck des Schriftformerfordernisses
entsprechend wäre dem Kläger die Existenz einer von beiden Parteien unterschriebenen Anlage zum Mietvertrag auf diese Weise selbst dann nicht verborgen geblieben, wenn sie ihm – anders als unstreitig geschehen – nicht vorgelegen hätte; bei der ihm zuzumutenden Aufmerksamkeit der Prüfung der Vertragslage bei Erwerb der vermieteten Wohnung hätte er aufgrund der im Mietvertrag in Bezug genommenen
Anlage nachfragen können und müssen.
Hier werde im Anhang vom 15. Oktober 1998 ausdrücklich auf den Mietvertrag zwischen der Vorvermieterin und dem Beklagten vom selben Tag Bezug genommen, sodann seien einzelne, genau bezeichnete Paragraphen des Mietvertrages in Bezug genommen und ergänzend oder abweichend geregelt worden. Die im Mietvertrag in Bezug genommene Anlage sei von beiden Parteien unter Angabe des Datums nicht nur mit einer Paraphe versehen, sondern mit vollständigem Namen unterschrieben worden, wie es der Mietvertrag, der auf die Anlage Bezug nimmt, dafür vorgesehen habe. In der Zusammenschau von Mietvertrag und Anlage habe sich der Kläger als Erwerber zuverlässig ein Bild über die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten verschaffen können.
Damit würden die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Schriftform eines Ausschlusses der Kündigung wegen Eigenbedarfs, einer besonderen Kündigungsvorschrift im Rahmen des Wohnraummietrechts eingehalten.
Das weitere Argument des Klägers, dass der Kündigungsausschluss „personalisiert“ auf die ursprüngliche Vermieterin gewesen sei, lasse sich schon mit dem Wortlaut der Vereinbarung nicht in Übereinstimmung bringen, wonach sich „der Vermieter“ verpflichtet habe. Doch selbst dann, wenn sich eine Kündigungsbeschränkung dem Wortlaut nach auf einen namentlich bezeichneten Vermieter beziehe, sei höchstrichterlich geklärt, dass diese auch den Erwerber binde, wenn kein Anhaltspunkt bestehe, dass die Parteien des Mietvertrages die Kündigungsbeschränkung konkludent nur für den Zeitraum hätten vereinbaren wollen, in dem die Wohnung im Eigentum der benannten Person stand. Hier sei aber in der Anlage zum Mietvertrag – ganz allgemein – die Kündigung des „Vermieters“ wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen worden, dieser Ausschluss sei auf den Fall des Todes der damaligen Vermieterin ausgedehnt worden und habe damit – ohne dass es dessen bedurft hätte – den Ausdruck des Willens verstärkt, dem Mieter einen erhöhten Bestandsschutz für der damaligen Vermieterin bewusste Eventualitäten zu gewähren. Zwei Nachträge aus späteren Jahren – einer über ein dem Beklagten eingeräumtes Vorkaufsrecht und einer über die „Ausstattung der Wohnung“ – seien jeweils von beiden Vertragspartnern eigenhändig unterschrieben worden und hätten ebenso wenig wie eine stattgefundene Mieterhöhung zu einem Schriftformmangel geführt, der den vereinbarten Kündigungsausschluss hätte beeinträchtigen können.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 991 und in unserer Datenbank.


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