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Einsichtnahme durch Dritte in Verwaltungsunterlagen
Die Beschwer kann auch höher als der Streitwert sein
20.07.2020 (GE 12/2020, S. 781) Will ein sehbehinderter Kläger von einer Verwalterin Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen ab Januar 2015 durch eine der Schweigepflicht unterliegende Person erlangen, sind die durch den Einsatz von Hilfspersonen zu erwartenden Kosten maßgebend.
Der Fall: Der stark sehbehinderte Kläger verlangt als Wohnungseigentümer für sich oder eine von ihm zu benennende Person von der Verwalterin die Einsicht in alle Verwaltungsunterlagen ab Januar 2015. Das AG hat der Klage insoweit stattgegeben, als der Kläger oder eine von ihm benannte, der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegende (Rechtsanwalt/Steuerberater) Person Einsicht nehmen darf. Den Streitwert hat das AG mit 1.000 € bemessen und die Kosten der beklagten Verwalterin auferlegt. Mit der Berufung will der Kläger freie Auswahl seiner Hilfspersonen erreichen – ohne Erfolg. Hiergegen die Rechtsbeschwerde, um Durchführung der Berufung zu erreichen.

Die Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Das LG hat den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung kann zwar in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, was hier nicht ersichtlich ist. Allerdings trifft der vom LG aufgestellte Obersatz, wonach die Beschwer keinesfalls höher als der Streitwert bewertet werden könne, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Streitwert und Beschwerdewert sind voneinander zu unterscheiden, stimmen also nicht notwendigerweise überein. Hier ist es aber anders und die Ansicht des LG im Ergebnis zutreffend, weil der Kläger Berufungsführer ist und sein (mit der Beschwer identisches) Interesse gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG die Untergrenze für den Streitwert bildet. Den Streitwert der ursprünglichen Klage von 1.000 € hat das LG mit dem ursprünglichen Interesse des Klägers gleichgesetzt, als angemessen erachtet und deshalb als Ausgangspunkt genommen, wobei es sich nicht an die Festsetzung des AG gebunden gesehen hat. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das LG den Wert auch angesichts der erstinstanzlichen, auf den Einsatz von Hilfspersonen bezogenen Klageerweiterung unverändert mit 1.000 € bemessen hat; denn das Kernanliegen des Klägers bestand durchgehend in der Einsichtnahme als solcher, und das Interesse daran hatte er auf diesen Betrag geschätzt. Bei der ausgehend von dem genannten Streitwert vorgenommenen Schätzung des Beschwerdewerts ist dem LG kein Ermessensfehler unterlaufen. Für die Beschwer heranziehen ließe sich die finanzielle Belastung, die sich daraus ergibt, dass der Kläger als Hilfspersonen nur der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegende Personen (Rechtsanwalt/Steuerberater) einsetzen darf. Diese Beschwer durfte das LG mit nicht mehr als 600 € bemessen. Vortrag dazu ist erst in dritter Instanz gemacht worden. Auch danach wird der Beschwerdewert jedoch nicht erreicht. Die Kosten eines Rechtsanwalts sollen bei einem (hoch gegriffenen) Gegenstandswert von 4.000 € insgesamt 413,64 € und die eines Steuerberaters nur 257 € betragen.
Dagegen musste das LG keine zusätzliche ideelle Beschwer in Höhe von weiteren 500 € berücksichtigen. Der Kläger hat eine über 600 € liegende Beschwer allein aus einer Benachteiligung und Verletzung seines Persönlichkeitsrechts abgeleitet, weil er jemanden kostenpflichtig mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen müsse. Eine Benachteiligung oder Diskriminierung ist daraus nicht schon deshalb abzuleiten, weil das AG die Einschränkung nicht mit der Person des Klägers, sondern mit datenschutzrechtlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer begründet hat. Demgemäß hat der BGH den Wert der Rechtsbeschwerde anhand von dessen Angaben auf 400 € geschätzt.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 813 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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