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Auch ohne wirksames Erhöhungsverlangen zulässig
Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung
14.07.2020 (GE 12/2020, S. 774) Auch das ist heute möglich: Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BGH, die von allen Mietrechtskommentatoren geteilt wird, war eine Zustimmungsklage des Vermieters nach § 558 BGB unzulässig, wenn ihr ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen nicht vorausgegangen war. Davon rückt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. April 2020 ab. Wie bereits kurz berichtet (GE 2020 [11] 696), hat sich der BGH auch erstmals zum Berliner Mietendeckel geäußert, ohne allerdings ins Grundsätzliche (Verfassungskonformität) zu gehen. Immerhin wissen wir jetzt: § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ist nach Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass von dem darin geregelten Verbot (jedenfalls) gerichtliche Mieterhöhungsverfahren nicht erfasst sind, in denen der Vermieter einen Anspruch auf Erhöhung der Miete zu einem vor dem in dieser Bestimmung festgelegten Stichtag (18. Juni 2019) liegenden Zeitpunkt verfolgt.
Der Fall: Der Vermieter hatte mit Schreiben vom 17. August 2015 Zustimmung zu einer Mieterhöhung unter Berufung auf den Mietspiegel 2015 verlangt. Die Wohnung der Mieter verfügte lediglich über ein Außen-WC; für solche Wohnungen sollte der Mietspiegel nicht gelten. Das Landgericht Berlin hielt die Klage gleichwohl für zulässig und gab nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten der Klage statt, ließ aber die Revision hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Klage zu.

Das Urteil: Auf die Revision der Mieter stellte der Bundesgerichtshof fest, dass eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung hier ausscheide. Die Rechtsfrage der Anwendung des Mietspiegels als Begründungsmittel betreffe weder allein die Zulässigkeit der Klage noch einen abgrenzbaren selbständigen Teil des materiellen Streitstoffs.
An der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine Zustimmungsklage unzulässig sei, der ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen nicht vorausgegangen war, werde nicht festgehalten. Die in § 558b BGB normierten Fristen seien vielmehr dem materiellen Recht zuzuordnen, die Nichteinhaltung dieser Fristen führe zur Abweisung der Klage als derzeit unbegründet und nicht als unzulässig. Die uneingeschränkte Prüfung in der Revisionsinstanz ergebe, dass das Landgericht zu Recht das Mieterhöhungsverlangen als formell wirksam angesehen habe. Auch wenn der Mietspiegel Wohnungen mit Außen-WC nicht erfasst habe, sei er zumindest als Orientierungshilfe für die konkrete Wohnung geeignet gewesen. Nach der Beweisaufnahme habe das Landgericht auch zu Recht angenommen, dass die vom Kläger verlangte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt.
Dem Anspruch stehe auch § 3 MietenWoG Bln nicht entgegen, denn jedenfalls sei diese Regelung zum Mietendeckel nicht anwendbar, wenn der Vermieter einen Anspruch auf Erhöhung der Miete zu einem vor dem Stichtag liegenden Zeitpunkt verfolgt. Ob das Gesetz einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle standhalte, was von verschiedenen Seiten aus mehreren Gründen bezweifelt werde, könne daher offenbleiben.

Anmerkung der Redaktion: Die Kernsätze der Entscheidung können wie folgt zusammengefasst werden:
1. Am Wichtigsten: Ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung.
2. Das MietenWoG Bln ist jedenfalls nicht anwendbar auf Mieterhöhungsverlangen, bei denen die erhöhte Miete vor dem Stichtag 18. Juni 2019 gezahlt werden soll.
3. Ein Mietspiegel kann als Orientierungshilfe auch dann herangezogen werden, wenn er auf die Wohnung nicht anwendbar ist – z. B. Einfamilienhaus oder Wohnung mit Außen-WC.
4. Eine vom Mieter geschaffene Ausstattung ist auf Dauer bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird, bei dem das Ausstattungsmerkmal erwähnt ist, ohne dass der Vermieter sich nachträglich an den Kosten beteiligt hätte.
5. Die Zulassung zur Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung auch vom Einzelrichter möglich; eine Rückübertragung an das Kollegium ist nur erforderlich, wenn die Prozesslage sich nach der Übertragung wesentlich geändert hat.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 798 und in unserer Datenbank.


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