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Kündigung wegen Eigenbedarfs bei Suizidgefahr
Keine Räumung
27.01.2020 (GE 23/2019, S. 1535) Positiv festgestellte Selbstmordgefahr steht einer Räumung nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs entgegen. Das Gericht kann dann die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Dauer anordnen.
Der Fall: Der 89-jährige Beklagte hatte vom Voreigentümer 1975 eine Drei-Zimmer-Wohnung gemietet. Die jetzige Vermieterin bewohnt mit ihrer erwachsenen Tochter eine Zwei-Zimmer-Wohnung, ihr Sohn ein 9 m² großes Zimmer bei seinem Vater, wo er regelmäßig ein Kind aus geschiedener Ehe unterbringt, wofür die 52 m² große Wohnung des Opas jeweils umgebaut werden muss. Der Beklagte benennt als Härtegründe Hüft- und Kniegelenkserkrankungen, seine langjährige Verwurzelung im Wohnumfeld, dass er seit der Kündigung 5 kg abgenommen und auf 26 Wohnungsbewerbungen nur Absagen erhalten habe. Der von der Klägerin nach Eingang eines gerichtlich erholten Sachverständigengutachtens zum psychischen Zustand erklärten Rücknahme der Klage stimmt er nicht zu.

Das Urteil: Das AG München kam zwar zur Überzeugung, dass der behauptete Eigenbedarf besteht, doch könne der Mieter nach § 574 BGB einer gerechtfertigten Kündigung des Vermieters widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn dessen Beendigung für ihn eine unvertretbare Härte bedeuten würde, die auch unter der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens habe sich als Folge der Kündigung bereits eine mittelschwere depressive Episode manifestiert. Durch einen Umzug würde sich sein psychisches Befinden aller Wahrscheinlichkeit nach noch weiter verschlechtern, bis hin zu einer schweren depressiven Episode, bei der auch ein Suizid nicht ausgeschlossen werden könne. Für den Fall, dass er aus seiner Wohnung ausziehen müsste, werde konkret der Suizid erwogen. Unter Berücksichtigung dieser Gefährdung sei eine Räumung der Wohnung für den Beklagten nicht zumutbar. Da auch nicht absehbar sei, ob und wann die festgestellte Gefährdung nicht mehr bestehe, sei das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

AG München, Urteil vom 22. November 2019 - 411 C 19436/18 -


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