Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

News  →  Kurz notiert


Kleintierhaltung in Wohnungen und Nebenanlagen auf Grundstücken im reinen Wohngebiet beschränkt
5 Hunde, 7 Katzen, 6 Papageien, 4 Enten, 1 Erpel, 14 Hühner, 4 Frettchen, 4 Hasen
16.12.2019 (GE 21/2019, S. 1346) Die Haltung von Kleintieren in Wohnräumen und in Nebenanlagen zusammengenommen darf den Rahmen der für eine Wohnnutzung in einem reinen Wohngebiet typischen Freizeitbetätigung nicht sprengen. Maßstab ist dabei, ob ein an Haus und Grundstück vorbeigehender Spaziergänger, der – hypothetisch – alle Tiere im Haus und auf dem Grundstück wahrnehmen könnte, noch den Eindruck hat, hier wohne ein Hobbytierhalter, oder ob er bereits annehmen muss, hier wohne der Eigentümer einer (beengten) Zoohandlung, der Tiere hin und wieder im häuslichen Bereich unterbringen muss.
Der Fall: Die Kläger verlangen, dass die Baubehörde gegenüber ihrem Nachbarn wegen überzogener Kleintierhaltung im reinen Wohngebiet einschreitet. Die Behörde verweigert das, weil die Tierhaltung von außen kaum wahrnehmbar sei. Bei einer Inaugenscheinnahme durch das Gericht haben die Nachbarn angegeben, derzeit folgende Tiere zu halten: im Haus fünf Hunde (die auch den Garten nutzten), sieben Maine-Coon-Katzen und sechs Papageien, in den Gartenanlagen vier Stummenten und ein Erpel, 14 Hühner, kein Hahn, vier Frettchen, vier Hasen. Sie verpflichteten sich, diese Zahlen nicht zu überschreiten und insbesondere, keinen Hahn zu erwerben. Das VG hielt die Klage für berechtigt.

Das Urteil: Die Beklagte habe gegen die Tierhaltung der Nachbarn durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Für beide Grundstücke sei durch Bebauungsplan als Nutzung reines Wohngebiet festgesetzt. Dieser Festsetzung widerspreche die derzeitige Grundstücksnutzung der Nachbarn. Die Haltung von Kleintieren in Wohnräumen und in Nebenanlagen zusammengenommen dürften den Rahmen der für eine Wohnnutzung in einem reinen Wohngebiet typischen Freizeitbetätigung nicht sprengen. Maßstab sei dabei, ob ein an Haus und Grundstück vorbeigehender Spaziergänger, der -– hypothetisch – alle Tiere im Haus und auf dem Grundstück wahrnehmen könnte, noch den Eindruck habe, hier wohne ein Hobbytierhalter, oder ob er bereits annehmen müsse, hier wohne der Eigentümer einer (beengten) Zoohandlung, der immer wieder zahlreiche Tiere unterschiedlicher Arten auf sein Privatgrundstück mitnehmen müsse. Nach diesen Maßgaben vermittele das Erscheinungsbild der betriebenen Kleintierhaltung derzeit bereits nicht mehr den Eindruck „der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung“.
Nehme man Zierfische und Terrarientiere aus, lebe in jedem deutschen Haushalt nur je ein Tier. Diesen Wert überschritten die Beigeladenen um ein Vielfaches, was schon Indiz für eine nicht mehr zur Wohnnutzung gehörenden typischen Freizeitbetätigung sein dürfte. Weiteres Indiz hierfür sei die hohe Anzahl unterschiedlicher Tierarten von sieben, die das Bild einer gewöhnlichen Hobbytierhaltung ebenso sprengen dürfte.
Hinzu kommt, dass die Beigeladenen bereits alleine durch ihre Geflügelhaltung (19 Hühner und Enten) die in der neueren Rechtsprechung genannte Obergrenze hierfür („Zahl von 20 Stück Geflügel als obere Grenze in Wohngebieten jedenfalls nicht zu gering bemessen“) bereits nahezu ausschöpften. Diese Grenze gelte regelmäßig auch dann, wenn keine anderen Tiere neben dem Geflügel gehalten würden. Die Nachbarn kombinierten jedoch diese Anzahl an Geflügel mit vier Hasen, aber auch mit vier Frettchen und mit fünf Hunden, die immer wieder wahrnehmbar den Garten des Grundstücks nutzten.
Die Voraussetzungen für Ausnahmen oder Befreiungen lägen nicht vor, weshalb die Kläger Anspruch auf ein Einschreiten der Baubehörde hätten. In der Rechtsprechung werde vertreten, dass auch bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Bestimmungen eine Reduzierung des Ermessens der Baurechtsbehörde nur bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung eines wesentlichen Rechtsguts sowie dann in Betracht komme, wenn die verletzte drittschützende Vorschrift unzumutbare Beeinträchtigungen verbiete, es sei denn, der Baurechtsbehörde stünden sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite. Das könne aber bei einem Verstoß gegen die Festsetzung eines Baugebiets nicht gelten; in diesem Fall sei zwingend einzuschreiten.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei geklärt, dass Eigentümer von Grundstücken in festgesetzten Baugebieten bei der Aufnahme einer Nutzung den Gebietscharakter wahren müssten und diesen auch nicht durch gebietsunverträgliche Nutzung schleichend verändern dürften. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob die Aufnahme einer unzulässigen oder typischerweise gebietsunverträglichen Nutzung andere Grundstückseigentümer unzumutbar beeinträchtigten. Wer die Erteilung einer Baugenehmigung für eine solche beabsichtigte Nutzung abwehren möchte, müsse keine konkreten Beeinträchtigungen und Störungen darlegen. Daher könne für die Untersagung einer solchen ohne Genehmigung aufgenommenen Nutzung nichts anderes gelten.
In welchem Umfang die Baubehörde die Anzahl der von den Nachbarn gehaltenen Tiere und Tierarten beschränke, stehe in ihrem Ermessen. Relevant dürfte sein, dass sich die Gesamtzahl der gehaltenen Tiere und die Anzahl der Tierarten reduziere, besonders aber die Anzahl von Hunden und Geflügel.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1435 und in unserer Datenbank.


Links: