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Veränderung der Mietsache durch Vermieter zwischen Besichtigung und Mietvertragsabschluss als Mangel?
Umbauten ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage können teuer werden
20.11.2019 (GE 19/2019, S. 1207) Der Zuschnitt und die Ausstattung der Mietsache, die der Mieter zum Zeitpunkt der letzten Besichtigung vor Abschluss des Mietvertrages oder zu Beginn des Mietverhältnisses vorgefunden hat, gelten auch ohne ausdrückliche mietvertragliche Regelung der Mietvertragsparteien als konkludent vereinbart. Eine spätere Veränderung durch den Vermieter, die weder durch gesetzliche Vorschriften noch durch Vereinbarung mit dem Mieter gerechtfertigt ist, stellt einen Mangel der Mietsache i.S.d. §§ 535 ff. BGB dar.
Der Fall: Der Vermieter hatte während des Mietverhältnisses und in Abwesenheit des Mieters Veränderungen – u. a. Grundrissveränderungen in der Wohnung – vorgenommenen. Der Mieter verlangte mit Erfolg beim Amts- wie beim Landgericht den Rückbau der Veränderungen, obwohl die Rückbaukosten nach Angaben des Vermieters 30.000 € erforderten, die monatliche Nettokaltmiete aber nur 200 € betrug.

Das Urteil: Der beklagte Vermieter sei zum Rückbau verpflichtet. Die im Verlaufe des Mietverhältnisses in Abwesenheit des Klägers vorgenommenen Grundriss- und sonstigen Veränderungen durch den Beklagten stellten einen Mangel der Mietsache dar, so das Landgericht Berlin. Auch ohne ausdrückliche mietvertragliche Regelung der Parteien gelte der Zuschnitt und gelte die Ausstattung der Mietsache als konkludent vereinbart, die der Mieter
■ zum Zeitpunkt der letzten Besichtigung der Mietsache vor Abschluss des Mietvertrages
■ oder zu Beginn des Mietverhältnisses vorgefunden habe. Diesen vertragsgemäßen Soll-Zustand habe der Beklagte im Verlaufe des Mietverhältnisses ohne Rechtfertigung verändert.
Die Rückbauverpflichtung des Beklagten sei auch nicht wegen Überschreitens der sog. „Opfergrenze“ ausgeschlossen. Die sei erst dann überschritten, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Instandsetzungsaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits bestehe. Wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten sei, entziehe sich einer generalisierenden Betrachtung. Sie müsse von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden, wobei auch ein Eigenverschulden zu berücksichtigen sei.
Hier sei die Opfergrenze nicht überschritten. Selbst ein Instandsetzungsaufwand von 30.000 € würde die Opfergrenze nicht überschreiten, da sie weder die wirtschaftliche Existenz des Beklagten gefährde noch außer Verhältnis zum Verkehrswert des Mietobjekts stehe. Zwar stünden die Mängelbeseitigungskosten in einem Missverhältnis zur erzielten Nettokaltmiete von monatlich 200 €. Das allein rechtfertige jedoch keine dem Beklagten günstigere Beurteilung, da es ihm möglich gewesen wäre, entweder bei Mietvertragsschluss im Jahre 2002 eine höhere Ausgangsmiete zu vereinbaren oder den Mietzins im Verlaufe des Mietverhältnisses zu erhöhen.

Anmerkung: Die Entscheidung ist zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des BGH führt selbst ein vom Vermieter vorsätzlich herbeigeführter Mangel nicht zum Verlust der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrecht bei Überschreiten der Opfergrenze), vgl. BGH GE 2014, 313 (im sog. Berliner Calvinstraßen-Fall zugemauerter Bad- und Küchenfenster). Besteht etwa ein krasses Missverhältnis zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand einerseits und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter andererseits, ist das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze indiziert (BGH aaO.). Eine Auseinandersetzung genau damit lässt die Entscheidung vermissen. Was das Missverhältnis zwischen Miete und Beseitigungskosten (die 12,5-fache Jahresmiete, was in Normalzeiten den gesamten Wert der Wohnung darstellt und selbst bei heute üblichen Vervielfachern noch einem Drittel bis der Hälfte des anteiligen Immobilienwerts entspricht) betrifft, erscheint die Überschreitung der Opfergrenze evident.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1242 und in unserer Datenbank.


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