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Zweckbestimmung als Laden schließt Nutzung eines Teileigentums als Obdachlosenunterkunft nicht aus
WEG-Nutzungsbeschränkungen dürfen nicht immer so eng gesehen werden
05.06.2019 (GE 9/2019, S. 572) Wird in der Teilungserklärung lediglich auf die zurzeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung Bezug genommen, schließt die Zweckangabe „Laden“ nur das Wohnen aus. Die tageweise Unterbringung von wohnungslosen Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ist aber in der Regel nicht als eine zu Wohnzwecken dienende Nutzung, sondern als heimähnliche Unterbringung anzusehen, die grundsätzlich auch in Teileigentumseinheiten erfolgen kann. Hält sich eine Nutzung von Wohn- und Teileigentum im Rahmen der Zweckbestimmung, kann sich ihre Unzulässigkeit nicht aus dem Charakter der Anlage und den diesen prägenden örtlichen Verhältnissen ergeben, so der BGH.
Der Fall: Die dem Beklagten gehörigen Teileigentumseinheiten Nr. 2 und 3 sind in der Teilungserklärung aus dem Jahre 1984 als „Laden“ bestimmt. Darin betreibt eine gewerbliche Mieterin eine Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Aufgrund eines Vertrags mit einem Berliner Bezirksamt werden Obdachlose tageweise untergebracht und betreut, wobei sich in der Regel zwei Personen einen Raum teilen. Die Räume sind nicht abschließbar. Küche, Toilette und Bad sind als Gemeinschaftseinrichtung ausgerichtet. In der Eigentümerversammlung vom 11. Juni 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, den Beklagten auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch zu nehmen. Das AG hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat das LG auf den Hilfsantrag der Klägerin hin den Beklagten verurteilt, alles Erforderliche zu unternehmen, dass eine Überlassung der Teileigentumseinheiten zu Unterkunftszwecken an Obdachlose unterbleibt. Das LG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil: Mit Erfolg! Der WEG steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG nicht zu. Dient eine Einheit nach der Teilungserklärung nicht zu Wohnzwecken, darf sie nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zuzuordnen sind. Die Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung dient nicht zu Wohnzwecken. Denn eine solche Nutzung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur anstelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Die tageweise Unterbringung der obdachlosen Personen erfolgt in Zweibettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen.
Aus der Teilungserklärung geht nicht mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass die Teileigentumseinheiten des Beklagten ausschließlich als Laden genutzt werden dürfen. Da ein bereits bestehendes und in Betrieb genommenes Gebäude aufgeteilt wurde, lässt sich dies ohne Weiteres so verstehen, dass lediglich auf die in der Teilungserklärung beschriebene, zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung Bezug genommen wird. Infolgedessen dürfen die Einheiten des Beklagten zwar nicht zum Wohnen, aber im Grundsatz zu jedem anderen Zweck genutzt werden.
Unzumutbare Nachteile kann das von der Klägerin vorgetragene, gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßende individuelle Verhalten der untergebrachten wohnungslosen Personen darstellen, wie das Rauchen im Innenhof, das Hinterlassen von Zigarettenkippen im Eingangs- und Hofbereich, das Nichtschließen der Türen, das Klingeln bei anderen Bewohnern, das Blockieren des Hauseingangs durch Personen und Gepäck sowie die Verschmutzung der Anlage. Daraus ergibt sich jedoch nicht der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch. In diesen Fällen kann nicht die Unterlassung der Nutzung an sich, sondern nur Unterlassung der konkreten Beeinträchtigungen verlangt werden. Als letztes Mittel stünde die Entziehungsklage zur Verfügung.

Anmerkung: Eingangs bemerkt der BGH, dass das Berufungsurteil zwar keinen eigenen Tatbestand enthalte, aber auf den Sachverhalt des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich Bezug nimmt. Danach streiten die Parteien darüber, ob die Teileigentumseinheiten des Beklagten zur Unterbringung von Obdachlosen genutzt werden dürfen. Aus dem zur Begründung des Klageantrags gehaltenen Sachvortrag ergibt sich, dass die Klägerin die Beendigung der derzeitigen Nutzung der Teileigentumseinheiten zur tageweisen Unterbringung von Obdachlosen erreichen will, weil sie diese für zweckwidrig hält. Nichts anderes hat das Berufungsgericht der Klägerin zugesprochen.
Ferner enthält das Revisionsurteil die eigenständige Auslegung des BGH hinsichtlich der Grundbucheintragung mit der Zweckbestimmung „Laden“. Wird dieser Begriff bei der Zuordnung der Einheiten gewählt, könnte sich daraus auch die Beschränkung auf ein Ladengeschäft mit dem bloßen An- und Verkauf von Waren ergeben. Diese enge Auslegung lehnt der BGH deshalb ab, weil ein bereits bestehendes und in Betrieb genommenes Gebäude aufgeteilt wurde. Darum lässt sich die Bezeichnung nicht ohne Weiteres so verstehen, dass lediglich die in der Teilungserklärung beschriebene, zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung genannt wird, um zu verdeutlichen, welche Räume zu welcher Einheit gehören.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 605 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Anwaltskanzlei Dittert


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