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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Versammlung der Wohnungseigentümer: Ladung durch einen nicht ermächtigten Wohnungseigentümer
Sind die gefassten Beschlüsse nichtig oder nur anfechtbar?
02.04.2025 (GE 5/2025, S. 222) Nach § 24 Abs. 1 WEG ist die Versammlung (wenigstens) einmal im Jahr von der Verwaltung einzuberufen (die Wohnungseigentümer können etwas anderes bestimmen). Subsidiär kann der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats, dessen Vertreter oder ein durch Beschluss ermächtigter Wohnungseigentümer handeln (§ 24 Abs. 3 WEG). Was aber gilt, wenn ein Wohnungseigentümer lädt, der nicht ermächtigt ist?
Der Fall: In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es nur zwei Einheiten. Die eine gehört Wohnungseigentümer K und seiner Ehefrau, die andere seinem Bruder, dem Wohnungseigentümer B. Es gibt, wie häufig in Kleinstanlagen, keinen Verwalter, keinen Verwaltungsbeirat und keine Ermächtigung nach § 24 Abs. 3 WEG. Da es aus Sicht von Wohnungseigentümer B aber einer Versammlung bedarf, lädt er Bruder und Schwägerin zu einer Versammlung ein. Er führt die Versammlung dann aber allein durch und fasst Beschlüsse, da diese nicht erscheinen. Gegen diese Beschlüsse wenden sich K und seine Ehefrau. Das AG weist ihre Anfechtungsklagen ab. Hiergegen richtet sich die Berufung. Dort geht es allein um die Frage, ob die Beschlüsse nichtig sind, weil B nicht befugt war, zu laden.

Das Urteil: Das LG meint, die Beschlüsse seien nicht nichtig! Zwar werde vereinzelt vertreten, die Einberufung durch einen Nichtberechtigten führe dazu, dass den gefassten Beschlüssen die „Legitimation als Wohnungseigentümerbeschlüsse“ fehle, was zur Nichtigkeit führe (Hinweis auf Lehmann-Richter, ZWE 2021, 419 [420]). Und auch im Gesellschaftsrecht führe die Einberufung durch einen Unbefugten rechtsformübergreifend zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse (Hinweis u. a. auf BGH, NZG 2024, 1367 Rn. 11 ff.). Dies gelte aber nicht im Wohnungseigentumsrecht (Hinweis u. a. auf BGH, GE 2021, 378 Rn. 11 ff.). Eine Nichtigkeit werde allenfalls dann angenommen, wenn ein unbeteiligter Dritter zur Versammlung einlade.
Hieran sei festzuhalten. Die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze seien nicht zu übertragen. Die Situation sei nicht vergleichbar. Die WEG-Lösung sei auch sachgerecht. Gerade bei kleineren Wohnungseigentümergemeinschaften würde eine gegenteilige Auffassung dazu führen, dass jeder Beschluss nichtig wäre. Das könne nicht sein.

Anmerkung: Seit dem 1. Dezember 2020 lädt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch ihre Organe zur Versammlung. Ist es nicht so, ruft also ein Nichtberechtigter die Versammlung ein, sind gefasste Beschlüsse nach h. M. anfechtbar, aber nicht nichtig (BGH, GE 2022, 525 Rn. 17).
Notwendig dürfte es aber entsprechend § 241 Nr. 1 AktG sein, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes die Ladung von einer wenigstens potentiell für eine Ladung in Frage kommenden Person ausgesprochen wird (s. auch BGH NZM 2022, 425 Rn. 17: „jedenfalls potentiell einberufungsberechtigt“). Sieht man es anders, müsste man sogar „Beschlüsse“ anfechten, die in einer „Versammlung“ gefasst wurden, die ein x-beliebiger Eigentümer aus „Daffke“ einberufen hat. So sollte es nicht sein.
Denkt man so, kommt eine Zurechnung daher nur bei einer Ladung als Verwaltungsmaßnahme in Betracht, wenn die Person für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer handeln könnte (Hügel/Elzer, 4. Aufl. 2025, WEG § 24 Rn. 83). Bei einem Wohnungseigentümer ist es nach §§ 9b, 27 WEG in der Regel nicht so (zum alten Recht anders BGH, GE 2021, 378 Rn. 14).
Im Fall besteht aber die Besonderheit, dass es nur zwei Einheiten und keinen Verwalter und keinen Verwaltungsbeirat gibt. Dann muss die Geschäftsführung (= Durchführung der Verwaltung), die nach §§ 24 Abs. 1, Abs. 5, 27, 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 WEG grundsätzlich in den Händen des Verwalters liegt, erstens eine Gesamtaufgabe der Eigentümer der beiden Einheiten sein. Und zweitens konnte B die Geschäftsführung ausnahmsweise allein wahrnehmen, weil Bruder und Schwägerin sich weigerten. Bei § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG spricht man in diesem Falle von einer kupierten Gesamtvertretung. Im Fall liegt daher eine kupierte Gesamtgeschäftsführung vor. B war also befugt, für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer allein zu einer Versammlung zu laden. Denn er war wegen der Fallumstände als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anzusehen. Der amtliche Leitsatz aus Frankfurt „Lädt zu einer Wohnungseigentümerversammlung ein Wohnungseigentümer, ohne hierzu berechtigt zu sein, sind die auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse nicht alleine deshalb nichtig“ ist indes deutlich zu weit.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 249 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG Dr. Oliver Elzer


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