Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Keine fristlose oder fristgemäße Kündigung wegen Stromdiebstahls bei nur geringfügiger Entnahme
Mieter lud sein Elektroauto an der Haussteckdose auf
09.09.2024 (GE 16/2024, S. 777) Ein durch mehrmaliges Aufladen des mietereigenen Elektroautos über die Allgemeinsteckdose begangener Stromdiebstahl, zu dessen Umfang der Vermieter keine konkreten Angaben machen kann, rechtfertigt wegen seiner Geringfügigkeit (hier: unter 50 €) weder eine fristlose noch – bei auszuschließender Wiederholungsgefahr – eine fristgemäße Kündigung.
Der Fall: Der Kläger verlangt aus mehreren fristlosen und hilfsweise fristgemäßen Kündigungen von den Beklagten Räumung und Herausgabe ihrer Wohnung, weil sie ihren Hybrid-Pkw mehrfach – mindestens zehnmal (was die Beklagten einräumen) – über eine Allgemeinstromstreckdose des Hauses aufgeladen haben, worüber sich mehrere Mitmieter beschwerten. Die Beklagten boten dem Vermieter an, die Mehrkosten für den Allgemeinstrom zu übernehmen. Zuletzt boten sie vergleichsweise eine Zahlung von pauschal 600 € an, um die Betriebskosten für die Mitmieter zu senken und den Hausfrieden wiederherzustellen. Das AG wies die Räumungsklage ab.

Das Urteil: Alle ausgesprochenen Kündigungen seien unwirksam, denn der durch die Beklagten verursachte Schaden liege unter 50 €, die Beklagten seien wiedergutmachungsbereit und es besteht keine Wiederholungsgefahr. Der Hausfrieden ist wiederhergestellt.
Allgemein werde ein Kündigungsgrund bejaht, wenn ein Mieter Stromleitungen anzapft und auf diese Weise Energie verbraucht, ohne dafür zu bezahlen. Für die Wirksamkeit einer fristgerechten Kündigung sei die Schwere der Pflichtverletzung des Mieters entscheidend. Die Kündigung sei unwirksam, wenn weder die Menge des unberechtigt entnommenen Stroms noch die Dauer der Pflichtverletzung dargelegt werde.
Allen Entscheidungen, die einen Stromdiebstahl als Kündigungsgrund ausreichen lassen, sei aber gemein, dass dem Vermieter und/oder der Hausgemeinschaft durch diesen Stromdiebstahl ein beträchtlicher Schaden entstanden sei. In dem vom AG Neukölln entschiedenen Fall (GE 1995, 501) habe der Mieter Hausstrom über eine im Keller befindliche Steckdose entnommen. In einem vom AG Potsdam (WuM 1995, 40) entschiedenen Fall habe der Mieter unberechtigt Strom zur Beheizung seines Badezimmers entnommen, in einem vom LG Köln (NJW-RR 1994, 909) entschiedenen Fall mit dem gestohlenen Strom Kühlschrank und Telefon betrieben.
Verneint wegen Geringfügigkeit hätten dies das LG Berlin und das KG in einem Fall, wo die Mieter nur etwa 1- bis 2-mal im Monat den Keller aufsuchten und Licht einschalteten und nur Kosten in einem fast nicht zu berechnenden Umfang entstanden waren und keine Abmahnung ausgesprochen worden war (KG, Urteil vom 18. November 2004 - 8 U 125/04 - GE 2004, 1588; LG Berlin, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - 67 S 304/14 - GE 2014, 1653).
Zwar sei im vorliegenden Fall die entnommene Strommenge höher als in dem vom KG entschiedenen Kellerlichtfall. Bei hier zugestandenen zehn Ladevorgängen schätze das Gericht mangels konkreter Angaben zum Umfang der Ladevorgänge auf Basis allgemein zugänglicher Quellen zu den Betriebskosten für Plug-in-Hybridfahrzeuge von 5,7 kWh bis 14,1 kWh und damit die durchschnittlichen Kosten von 3,48 € bis 4,20 € für eine Aufladung. Die Mehrkosten hätten dann bei eingeräumten zehn Ladevorgängen zwischen 34,80 € und 42 € insgesamt betragen.
Das AG hielt einen solchen Schaden wegen Stromentnahme für gering, wofür es sich an den Geringfügigkeitsschwellen gesetzlicher Strafvorschriften orientierte. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Beklagten überkompensatorisch angeboten haben, 600 € als pauschalen Schadensersatz zu leisten, obgleich ein derart hoher Schaden weder plausibel ist noch im konkreten Fall nachgewiesen werden kann.
Vorliegend komme hinzu, dass die Beklagte die unbefugte Stromentnahme eingeräumt, sich entschuldigt und Wiedergutmachung angeboten habe. Zudem sei es nach der ersten Kündigung zu keiner weiteren Stromentnahme gekommen.
Für eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen sog. Stromdiebstahls sei – anders als bei einer illegalen Baustromversorgung (AG Wedding, Urteil vom 10. Februar 2015 - 11 C 103/14 - GE 2015, 390) – jedenfalls bei nur geringfügiger Entnahme der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich (KG GE 2004, 1588; LG Berlin GE 2014, 1653).
Lege man diese Kriterien an, seien jedenfalls alle ausgesprochenen Kündigungen – fristlose wie fristgemäße – unwirksam gewesen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 800 und in unserer Datenbank.


Links: