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Grundsteuerwertfeststellung im Bundesmodell: Nachweis eines geringeren Wertes muss möglich sein
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Wortlaut
12.08.2024 (GE 13/2024, S. 630) Die Bewertungsvorschriften im Rahmen der Grundsteuerreform sind in sogenannten Aussetzungsverfahren bei der gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass für die Feststellung des Grundsteuerwerts im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts möglich sein muss. Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert erheblich über den im Einzelfall nachgewiesenen hinausgeht.
Der Fall: Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines vor 1949 bezugsfertigen Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 72 m2. Der Bodenrichtwert für das 351 m2 große Grundstück betrug zum 1. Januar 2022 125 €/m2. Das Finanzamt ermittelte den Grundsteuerwert zum 1. Januar 2022 mit 91.600 € aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks und des abgezinsten Bodenwerts. Bei der Bestimmung des kapitalisierten Reinertrags setzte es als monatliche Nettokaltmiete den für Einfamilienhäuser mit Baujahr bis 1948 und einer Wohnfläche von 60 m2 bis unter 100 m2 geltenden Wert von 6,23 €/m2 an und nahm hiervon einen Abschlag i.H.v. 10 % aufgrund der Mietniveaustufe 2 vor. Da die Restnutzungsdauer des vor dem Jahr 1949 bezugsfertigen Gebäudes weniger als sieben Jahre betrug, ging das FA von einer fingierten Restnutzungsdauer des Gebäudes von 24 Jahren (30 % von 80 Jahren) aus. Hieraus ergab sich ein Reinertrag i.H.v. 3.635,28 € (= 5,61 €/m2 x 72 m2 x 12 abzüglich Bewirtschaftungskosten i.H.v. 25 %) und ein kapitalisierter Reinertrag des Grundstücks i.H.v. 64.998,81 € (= 3.635,28 € x 17,88).
Bei der Bestimmung des Bodenwerts legte das FA den Bodenrichtwert sowie einen Umrechnungskoeffizienten i.H.v. 1,10 für Grundstücke mit einer Größe von größer gleich 350 m2 zugrunde. Ausgehend von einem Liegenschaftszins von 2,5 % für Einfamilienhäuser ermittelte es den abgezinsten Bodenwert mit 26.684,34 €, indem es den Bodenwert i.H.v. 48.262,50 € (= 351 m2 x 125 €/m2 x 1,10) mit dem Abzinsungsfaktor i.H.v. 0,5529 multiplizierte.
Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, den das FA ablehnte und den eingelegten Einspruch zurückwies. Bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke handele es sich um eine typisierte Bewertung, die keine individuelle Verkehrswertermittlung in Bezug auf das Objekt darstelle.
Die Antragstellerin argumentierte, dass seit dem Baujahr des Einfamilienhauses im Jahr 1880 keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen worden seien. Der festgestellte Grundsteuerwert sei daher gemessen am Wert des Hauses zu hoch.
Das FG hat die Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde des Finanzamts zugelassen. Der Bundesfinanzhof hielt sie für zulässig, aber für unbegründet.
Die Entscheidung: Die Vollziehung eines Bescheides könne ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Das sei zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Bescheids gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten; erforderlich sei nicht, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen.
Solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids in Bezug auf die Höhe des festgestellten Grundsteuerwerts habe er, so der II. Senat des Bundesfinanzhofs. Die Zweifel ergäben sich daraus, dass dem Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Grundstückswert nachzuweisen.
Für die Grundsteuerwertfeststellung habe der Gesetzgeber eine Vielzahl von Typisierungen und Pauschalierungen gewählt, was grundsätzlich sei, sofern eine realitäts- und gleichheitsgerechte Werteabbildung gewährleistet sei. Die habe sich am gemeinen Wert und dem Sollertrag zu orientieren. Verfassungskonform sei eine typisierende Regelung aber nur so lange, wie kein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall vorliege. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestünden deshalb, weil die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuerwertfeststellung es zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung nicht zuließen, dass im konkreten Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts – beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten – geführt werden dürfe.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 657 und in unserer Datenbank.
Bei der Bestimmung des Bodenwerts legte das FA den Bodenrichtwert sowie einen Umrechnungskoeffizienten i.H.v. 1,10 für Grundstücke mit einer Größe von größer gleich 350 m2 zugrunde. Ausgehend von einem Liegenschaftszins von 2,5 % für Einfamilienhäuser ermittelte es den abgezinsten Bodenwert mit 26.684,34 €, indem es den Bodenwert i.H.v. 48.262,50 € (= 351 m2 x 125 €/m2 x 1,10) mit dem Abzinsungsfaktor i.H.v. 0,5529 multiplizierte.
Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, den das FA ablehnte und den eingelegten Einspruch zurückwies. Bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke handele es sich um eine typisierte Bewertung, die keine individuelle Verkehrswertermittlung in Bezug auf das Objekt darstelle.
Die Antragstellerin argumentierte, dass seit dem Baujahr des Einfamilienhauses im Jahr 1880 keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen worden seien. Der festgestellte Grundsteuerwert sei daher gemessen am Wert des Hauses zu hoch.
Das FG hat die Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde des Finanzamts zugelassen. Der Bundesfinanzhof hielt sie für zulässig, aber für unbegründet.
Die Entscheidung: Die Vollziehung eines Bescheides könne ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Das sei zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Bescheids gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten; erforderlich sei nicht, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen.
Solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids in Bezug auf die Höhe des festgestellten Grundsteuerwerts habe er, so der II. Senat des Bundesfinanzhofs. Die Zweifel ergäben sich daraus, dass dem Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Grundstückswert nachzuweisen.
Für die Grundsteuerwertfeststellung habe der Gesetzgeber eine Vielzahl von Typisierungen und Pauschalierungen gewählt, was grundsätzlich sei, sofern eine realitäts- und gleichheitsgerechte Werteabbildung gewährleistet sei. Die habe sich am gemeinen Wert und dem Sollertrag zu orientieren. Verfassungskonform sei eine typisierende Regelung aber nur so lange, wie kein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall vorliege. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestünden deshalb, weil die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuerwertfeststellung es zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung nicht zuließen, dass im konkreten Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts – beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten – geführt werden dürfe.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2024, Seite 657 und in unserer Datenbank.
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