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Ende der Verdunkelung
09.10.2000 (GE 19/2000, 1288) EG-Kommission prüft BSR-Vertrag
Es müssen nicht immer die ersten Anwaltsadressen dieser Stadt bemüht werden, um den Senat in (Argumentations-) Schwierigkeiten zu bringen. Manchmal reichen auch ein klarer Kopf und 1,10 DM Porto. Das bewies Manfred Seltmann, GRUNDEIGENTUM-Leser und Eigentümer aus dem schönen Berlin-Schmargendorf, der sich an Erich Kästner hielt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ Er schrieb am 23. August 2000 an Prof. Dr. Romano Prodi, den Präsidenten der Kommission der Europäischen Kommission (Rue de la Loi 200, B 1049 Brüssel): daß das Land Berlin der landeseigenen Berliner Stadtreinigung einen auf 15 Jahre laufenden Monopolvertrag sowohl für die Stadtreinigung als auch die Abfallentsorgung gewährt habe, was letztlich alle Bürger Berlins mit überflüssigen Kosten belaste. Und als Bürger der Gemeinschaft fragte Seltmann höflichst bei Prodi an, „ob diese Vertragsregelung des Landes Berlin mit der BSR nicht gegen Gesetze und Verordnungen der EU verstößt, und ob diese Leistungen nicht hätten ausgeschrieben werden müssen?“

Die als Bürokraten gescholtenen Brüsseler Beamten antworteten innerhalb von rund drei Wochen.
Der Brief (nebenstehend abgedruckt) des Generaldirektors Binnenmarkt der Europäischen Kommission vom 18. September ist kurz, aber er enthält Sprengstoff für den Berliner Senat: Die Europäische Kommission hat beschlossen, den zwischen dem Land Berlin und den Berliner Stadtreinigungsbetrieben geschlossenen Vertrag, wonach den BSR für 15 weitere Jahre das Monopol für die Müllabfuhr und die Straßenreinigung eingeräumt wird, untersuchen zu lassen. Eine erste Prüfung in Brüssel hat offensichtlich ergeben, daß die europäischen Grundsätze von Transparenz und Nichtdiskriminierung vom Berliner Senat nicht beachtet worden sind.

Haus & Grund Berlin begrüßt ausdrücklich, daß sich Brüssel dazu entschlossen hat, den Anregungen eines engagierten Berliner Bürgers nachzugehen. Sprecher Dieter Blümmel: „Wir haben bereits bei Abschluß des Vertrages kritisiert, daß er in aller Heimlichkeit und ohne jede öffentliche Diskussion geschlossen worden ist. Nicht einmal das Abgeordnetenhaus ist vorher gefragt worden. Derzeit liegt dem Berliner Parlament zwar eine entsprechende Vorlage zur Billigung vor, aber eine erste Prüfung hat ergeben, daß selbst dem Berliner Abgeordnetenhaus offenbar die wichtigen Details nach wie vor vorenthalten werden.“
Haus & Grund fordert angesichts der Prüfung des Vertrages durch Brüssel das Berliner Abgeordnetenhaus auf, seine Zustimmung bis zur Klärung auf europäischer Ebene zurückzustellen.
Im übrigen dürften derart weitgehende und jeden Berliner Bürger betreffende Verträge künftig nicht in Hinterzimmern ausgemauschelt werden, auch wenn der Hausherr der Berliner Senat sei.
Haus & Grund fordert den Berliner Senat auf, die Leistungen von Stadtreinigung und Müllabfuhr unverzüglich europaweit auszuschreiben. Die Berliner hätten Anspruch darauf, daß diese Leistungen vom preiswürdigsten Anbieter erbracht würden. Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe seien das mit Sicherheit nicht.

Der Brief aus Brüssel
„Ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom 23. August 2000, das Sie an den Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Romano Prodi, mit dem Ersuchen gerichtet haben, Vertragsregelungen des Landes Berlin mit den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) auf ihre Vereinbarkeit mit den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu überprüfen. Auf den ersten Blick fällt die von Ihnen angesprochene Materie in den Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Bestimmungen sollen garantieren, daß gemeinschaftsweit der Zugang zu den öffentlichen Aufträgen unter Einhaltung der Grundprinzipien der Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit sichergestellt ist.
Eine Überprüfung der von Ihnen dargelegten Sachverhaltselemente hat ergeben, daß die BSR, eine Anstalt des öffentlichen Rechts seit dem Jahr 1994, unter anderem dem Zweck der Stadtreinigung gewidmet wurde. Diese Tätigkeit wird im Rahmen eines hoheitlichen Abfallentsorgungs- und Reinigungsauftrages, den das Land Berlin der BSR übertragen hat, ausgeübt. Die Entgelte für die Straßenreinigung werden auf der Grundlage des Straßenreinigungsgesetzes und ergänzende Sekundärregelungen berechnet und von der BSR eingehoben. Aus vergaberechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob es sich bei der Auftragserteilung um eine Dienstleistungskonzession handeln könnte. Auf diese sind zwar die Vergaberegelungen nicht anwendbar, dennoch sind sowohl die im Vertrag festgeschriebenen Bestimmungen und Grundsätze als auch die im Rahmen der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofes aufgestellten Prinzipien wie Transparenz und Nichtdiskriminierung zu beachten.
Ich habe daher die zuständige Dienststelle ersucht, an die deutschen Behörden heranzutreten und diese zu ersuchen, das Vertragsverhältnis zwischen dem Land Berlin und der BSR ausführlich zu erläutern. Anhand dieser Ausführungen sollten wir in der Folge prüfen können, ob der Vertrag im Rahmen eines Verfahrens vergeben wurde, das unverfälschte Wettbewerbsbedingungen für alle Interessierten garantiert hat. Aufgabe der Vergaberegeln ist es, sicherzustellen, daß aus dem Kreis der Anbieter derjenige den Auftrag erhält, der das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis unterbreitet.
Die zuständige Dienststelle wird Sie über den weiteren Verlauf dieser Sache informieren.“