Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Kein Anspruch auf Mieterwechsel ohne Einverständnis
Studentische Wohngemeinschaft als Mieter
05.01.2024 (GE 23/2023, S. 1173) Bei einer Wohngemeinschaft ist für einen Mieterwechsel die Zustimmung des Vermieters erforderlich, die nach der Rechtsprechung des BGH nicht konkludent schon vorab erteilt wird. Das Landgericht Berlin schließt sich dem an und entscheidet: Eine ergänzende Vertragsauslegung für eine Zustimmung des Vermieters zu zukünftigem Mieterwechsel scheidet aus, wenn bei Vertragsschluss die Mieter zwar mitteilten, sie wollten für ihr Studium oder den Zivildienst nach Berlin ziehen, um ein studentisches WG-Leben zu führen, der Vermieter jedoch sein Einverständnis mit einem künftigen Wechsel in der Mieterstruktur nicht erklärt hatte.
Der Fall: Die Mieter hatten zusammen als Wohngemeinschaft im September 2010 die Wohnung gemietet; in der Folgezeit kam es in drei Fällen mit Zustimmung des Vermieters zu einem Mieterwechsel. Dem jetzigen Ausscheiden des Klägers stimmte der Vermieter nicht zu; das Amtsgericht gab der Klage der Mieter statt, die sich darauf berufen hatten, bei Vertragsschluss hätten sie mitgeteilt, sie wollten für ihr Studium oder den Zivildienst ein typisch studentisches WG-Leben führen. Die Berufung war erfolgreich.

Das Urteil: Das Landgericht Berlin berief sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach für eine vorab erteilte Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel eine Vereinbarung nötig sei. Die bloße Erklärung der Mieter bei Vertragsschluss, eine studentische Wohngemeinschaft bilden zu wollen, reiche nicht aus. Ansonsten würde praktisch in jedem Fall, in dem eine Wohnung an mehrere studentische Mieter vermietet wird, ein Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel vorliegen. Aus der Zustimmung zum Mieterwechsel in der Vergangenheit folge nicht, dass auch für die Zukunft der Vermieter daran gebunden sei.

Anmerkung: Das LG zitiert die Ausführung des BGH, dass insbesondere bei Studenten eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt, wenn sowohl Mieter wie Vermieter bei Vertragsschluss ersichtlich davon ausgingen, dass sich häufig ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben würde. Auch wegen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in Berlin verneint es die Voraussetzungen dazu. Schon die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt allerdings Veranlassung zu einer zusätzlichen Überlegung.
Die wohl überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung nahm bei einer studentischen Wohngemeinschaft ein Recht auf Mieterwechsel an. Davon rückt der Bundesgerichtshof ab. Kappus (NJW 2022, 2030) kommentiert das so: „Wenn der BGH in heutiger Perspektive eine zustimmungsbezogene (stillschweigende) Parteiabrede vermisst, lag sie bei Vertragsabschluss so klar zutage, dass naheliegenderweise niemand daran dachte, sie zu verschriftlichen. Entsprechend einfach erwies es sich im Fall, den ersten Mieteraustausch bereits mit Vertragsabschluss zu bewerkstelligen, und zwar durch handschriftliche Korrektur des Mietvertrags! Den Zustimmungsanspruch demgegenüber – auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue – jetzt zu verneinen, verhilft einem nach Jahr und Tag gewandelten Vermietersinn überraschend, aber nicht überzeugend zum Durchbruch.“
Das Problem, dass bei einem Dauerschuldverhältnis durch eine Änderung der Rechtsprechung die Vertragsgrundlagen geändert werden, ist bisher nicht überzeugend gelöst. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen, die entgegen bisheriger Rechtsprechung für unwirksam erklärt werden, hat der Bundesgerichtshof keinen Vertrauensschutz angenommen; die Nichtigkeitserklärung gilt auch rückwirkend – so etwa bei der Quotenabgeltungsklausel für Schönheitsreparaturen (GE 2008, 665) oder für eine unwirksame Erstreckungsklausel in Bürgschaftsverträgen (NJW 1996, 924). Allerdings hat für die Änderung seiner Rechtsprechung zum Höchstbetrag einer Vertragsstrafe in AGB eines Bauvertrags (5 % statt 10 % der Auftragssumme) der BGH einen Vertrauensschutz für die Vergangenheit bejaht (NJW 2003, 1805).
Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie etwa die des Bundesgerichtshofs zu Schönheitsreparaturen steht in ihrer Wirkung einer Gesetzesänderung gleich. In der Überleitungsregel zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (Art. 229 § 5 Abs. 2) hieß es, dass für Dauerschuldverhältnisse das neue Recht erst ein Jahr später in Kraft treten sollte. Den Parteien sollte Gelegenheit zur Vertragsanpassung gegeben werden (BT-Drs. 14/6040, S. 273). Eine solche Vertragsanpassung hätte nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu erfolgen (Armbrüster/Wiese DStR 2003, 334). In einer älteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (NJW 1972, 1577) eine Anpassung eines Vergleichs bei Änderung der Rechtsprechung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorgenommen.
Die Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses wie bei einem Wohnraummietvertrag haben einen Anspruch darauf, dass die geltende Rechtslage bei Vertragsschluss einschließlich der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu nicht rückwirkend für unwirksam erklärt wird. Hier sollte ein Anspruch auf eine Vertragsanpassung innerhalb einer bestimmten Frist, etwa ein Jahr, angenommen werden.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2023, Seite 1196 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


Links: