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Wer darf beauftragt werden: Rechtsanwalt am Ort der Gemeinschaft oder am Sitz des Verwalters?
Prozesskostenerstattung von Reisekosten eines auswärtigen Bevollmächtigten
20.09.2023 (GE 15/2023, S. 734) Auch ein gewerbsmäßiger WEG-Verwalter steht nicht einem Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung gleich, dem es zuzumuten ist, einen Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen und diesen sachkundig zu informieren. Hierfür wäre zumindest erforderlich, dass er über entsprechende Rechtskenntnisse verfügt und Rechtsstreitigkeiten selbst abarbeitet, was bei Verwaltern üblicherweise nicht der Fall ist. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft darf deshalb einen Rechtsanwalt am auswärtigen Sitz ihres Verwalters beauftragen lassen; insoweit diesem Rechtsanwalt entstehende Reisekosten zum Gerichtstermin sind notwendige Kosten des Rechtsstreits.
Der Fall: Die durch ihren Verwalter vertretene GdWE hat erfolgreich einen Prozess am Ort der GdWE geführt bzw. führen lassen. Der außerhalb des Gerichtsbezirks wohnende WEG-Verwalter hat einen Anwalt beauftragt, der am Ort des Verwalters wohnt, der zur Wahrung des Termins zum zuständigen Gericht fahren musste, und der zusätzlich zu seinen Anwaltskosten Reisekosten zum Termin bei dem Gericht am Ort der GdWE geltend gemacht hat. Das AG hat die Reisekosten nur fiktiv niedriger festgesetzt, nämlich nur in der Höhe, als wäre vom Verwalter unmittelbar ein Anwalt im Bereich des für die GdWE zuständigen Prozessgerichts beauftragt worden. Hiergegen die sofortige Beschwerde.

Die Entscheidung: Mit Erfolg! Zwar ist für die Erstattung von Reisekosten für den Rechtsanwalt zunächst der Sitz der Partei maßgeblich, so dass im Grundsatz Reisekosten nur bis zur Höhe von fiktiven Reisekosten zum weitentferntesten Ort im Gerichtsbezirk erstattungsfähig sind, wenn
ein Anwalt an einem anderen Ort beauftragt wird. Hier ist die Festsetzung nur fiktiver Reisekosten zum Gerichtstermin vom Ort der GdWE unzureichend. Bei einer juristischen Person ist deren tatsächliche Struktur zu berücksichtigen, also die tatsächliche Organisation des Unternehmens, so dass ein Anwalt etwa an dem Ort beauftragt werden kann, von dem üblicherweise Rechtsstreitigkeiten nach der internen Struktur bearbeitet werden. Ebenso gilt für Wohnungseigentümergemeinschaften, dass es für die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht auf den Ort ankommt, in welchem sich die Anlage befindet, sondern auf den Sitz des Verwalters. Das gilt nach dem reformierten Wohnungseigentumsrecht insbesondere, denn der Verwalter ist der gesetzliche Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft und daher für die Prozessführung der Gemeinschaft zuständig. Nach seiner rechtlichen Struktur ist der Verwalter aber nicht mit einem gewerbsmäßigen Unternehmen zu vergleichen, das über eine eigene Rechtsabteilung verfügt und in eigener Verantwortung auswärtige Rechtsanwälte beauftragen und sachgerecht informieren kann, sich also zur Durchsetzung von Forderungen der Hilfe von Rechtsanwälten bedienen darf. Dass der WEG-Verwalter über gewisse Rechtskenntnisse verfügen muss, um seine Verwalteraufgaben erfüllen zu können, genügt insoweit nicht zur Gleichstellung mit einem Unternehmen mit spezieller Rechtsabteilung.
Es handelte sich auch vorliegend nicht um einen Streitwert, bei welchem an der Beklagtenseite keine Einwendungen zu erwarten waren. Denn bereits in der Klage wurde auf eine umfassende Kommunikation mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten verwiesen und auf gegensätzliche Rechtsansichten Bezug genommen.

Praxishinweise: Es ist also nicht zu beanstanden, dass die GdWE einen Anwalt am Sitz ihres Verwalters beauftragt. Die dann für den Gerichtstermin entstandenen Reisekosten sind notwendig i.S.v. § 91 ZPO. Die Entscheidung beruht auf gefestigter Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2012, 695). VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister

Den Wortlaut finden Sie in GE 2023, Seite 755 und in unserer Datenbank.


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