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Die zulässige Hybrid-Miete (Büro und Wohnen) ist mit einem Sachverständigengutachten zu ermitteln
Vermietung zur teilgewerblichen Nutzung
31.07.2023 (GE 13/2023, S. 627) Für die preisrechtliche Zulässigkeit einer Mietvereinbarung wird oft der Mietspiegel herangezogen, dessen Werte nicht um mehr als 10 % überschritten werden dürfen. Ist im Mietvertrag eine teilgewerbliche Nutzung vereinbart, reicht das grundsätzlich nicht – so die 67. Kammer des LG Berlin. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stellte sie für den „gewerblichen“ Teil der Wohnung auf die Höhe der Büromieten ab.
Der Fall: Im Mietvertrag über die 140 m2 große Wohnung hieß es, dass knapp 40 m2 teilgewerblich vermietet würden. Der Mieter wollte als Kameramann die Räume beruflich nutzen. Er verlangte später unter Berufung auf die Mietpreisbremse einen Teil der Miete zurück. Vereinbart waren 1.679 €, während die Miete nach dem Mietspiegel 956,68 € betrug. Das Amtsgericht gab der Klage statt, weil ein Zuschlag für die teilgewerbliche Nutzung nicht gerechtfertigt sei, da der Mieter ohnehin einen Anspruch auf Genehmigung dieser Nutzung gehabt habe. Die Berufung war erfolgreich.

Das Urteil: Das Landgericht Berlin hielt die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich; nach dem Gutachten des Sachverständigen betrug die ortsübliche Vergleichsmiete 1.694 €. Der Sachverständige ging dabei von einer ortsüblichen Büromiete von 12 €/m2 aus. Die Klage war damit überwiegend unbegründet; eine Umgehung der Vorschriften über die Mietpreisbremse schloss die Kammer aus. Schließlich sei mit der Vereinbarung der teilgewerblichen Nutzung dem Mieter eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit eingeräumt worden. Es liege auch keine unbillige Benachteiligung des Mieters vor; die Vereinbarung einer teilgewerblichen Nutzung und der Miete dafür sei nicht nach §307 BGB zu überprüfen. Anders als im Urteil der 65. Kammer des LG Berlin vom 13. September 2022 falle hier die vertraglich eingeräumte Nutzungsbefugnis nicht unter den Begriff des „Wohnens“, denn der Mieter habe eine abstrakt gefasste und damit umfassende Nutzungsbefugnis.

Anmerkung: Die 65. Kammer hatte (GE 2023, 91) entschieden, dass eine vereinbarte teilgewerbliche Nutzung als Büroraum für eine Architektin mit geringem Kundenverkehr keine teilgewerbliche Nutzung sei, da dies noch zum vertragsgemäßen Gebrauch des Wohnraummieters gehöre. Der Mietvertrag war überschrieben: „Mietvertrag mit teilgewerblicher Nutzung“; beinahe wortgleich im Fall der 67. Kammer. Die Büronutzung der Architektin war im Mietvertrag in einer Anlage festgehalten, während im Fall der 67. Kammer eine solche Konkretisierung offenbar nicht erfolgte. Die daraus gezogenen Rückschlüsse sind allerdings mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.
Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Der Wille der Parteien und nicht die gewählte Bezeichnung entscheidet über den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BGH, NJW 2002, 3318). Dass bei den Vertragsverhandlungen der Mieter auch eine Nutzung als Massagesalon oder Warenlager (also generell gewerblich) gewünscht hätte, scheidet aus. Auch eine generelle Nutzung als Büroraum ohne Einschränkungen dürfte nicht besprochen worden sein. Schließlich kann auch das nachträgliche Verhalten einer Partei Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen (BGH, NJW 1971, 1844). Mit der Unerheblichkeit der später vom Mieter eingeschränkten gewerblichen Nutzung hat das nichts zu tun; entscheidend ist, was die Parteien bei Vertragsschluss unter der teilgewerblichen Nutzung verstanden haben. Das war eine sich noch im Rahmen des Wohnens bewegende Nutzung, für die kein Zuschlag verlangt werden konnte. Die Berufung hätte daher zurückgewiesen werden müssen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 657 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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