Archiv / Suche
Diepgen hat Klagefrist verschlafen
Reichsvermögen bleibt vorerst beim Bund
28.02.2008 (GE 4/2008, 214) Daß man einmal eine Frist verpaßt, kann passieren. Wenn es allerdings um Grundstücke mit einer Fläche von rund 6,8 Millionen Quadratmetern und um eine Summe von rund 280 Millionen Euro geht, sollte es nicht passieren. Zumal dann nicht, wenn davon so eine arme Kommune wie Berlin betroffen ist.
Ist aber passiert, weshalb der damals verantwortliche Regierende Bürgermeister und oberste Fristenwahrer, Rechtsanwalt Eberhard Diepgen (CDU), gleich zu Protokoll gegeben hat, er und sein Senat seien nicht schuld gewesen. Das wird man freilich ganz anders sehen müssen, wenn man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur neuesten Berliner Bauchlandung in Karlsruhe liest. Worum geht es? Das damalige Deutsche Reich hatte von den Ländern und Gemeinden Grundstücke unentgeltlich oder zu einem symbolischen Preis übernommen, um diese Grundstücke militärisch zu nutzen. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde das gesamte Reichsvermögen Bundesvermögen. Im Grundgesetz wurde allerdings geregelt, daß all die Grundstücke, die sich das Reich unter den Nagel gerissen hatte, wieder an die Länder und Gemeinden zurückgehen, sofern der Bund sie nicht für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. Das sogenannte Reichsvermögen-Gesetz 1961 regelte die Details. Im Prinzip war die Rückübertragung auf Länder und Gemeinden als Regelfall, die Berücksichtigung von Bundesbedarf als Ausnahme vorgesehen. Der Rückfall war allerdings daran geknüpft, daß Länder und Gemeinden ein Jahr nach Inkrafttreten des Reichsvemögen-Gesetzes ihr Rückfallrecht geltend machen sollten. Das Reichsvermögen-Gesetz trat in Berlin wegen alliierter Vorbehalte allerdings nicht sofort in Kraft, sondern erst mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 mit dem sogenannten 6. Überleitungsgesetz. Den Vorwurf, sämtliche Juristen um den Juristen Diepgen hätten entweder freudetrunken oder als Folge einer kollektiven Auszeit des versammelten Juristenverstandes die Frist verpaßt, trat Eberhard Diepgen mit der Behauptung entgegen, der Berliner Senat habe sich damals bewußt nicht für einzelne Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden, weil man damals angesichts einer Fülle von Diskussionspunkten auf die Bundesregierung angewiesen gewesen sei. Das freilich geht völlig an der Sache vorbei. Um irgendwelche Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland ging es überhaupt nicht. Es ging um die schlichte Selbstverständlichkeit, binnen einer Frist von einem Jahr ein Rückfallrecht geltend zu machen, das sowohl vom Grundgesetz als auch vom Reichsvermögen-Gesetz als schlichte Selbstverständlichkeit begriffen wurde. Es ist geradezu abwegig, dem Bund zu unterstellen, er hätte sich für diesen Fall rächen wollen. Unter Juristen werden solche Äußerungen üblicherweise Schutzbehauptung genannt. Da behaupte keiner, die gesamte Rechtslage sei sehr verzwickt gewesen, denn wenn Verfristung droht, wird man zum frühestmöglichen Zeitpunkt tätig und wartet nicht ab, ob sich später eine Rechtsauffassung durchsetzen läßt, die von einem späteren Fristbeginn ausgeht. Und der Gipfel ist nun, daß das Land Grundstücke, die durch die Sorglosigkeit der politisch Verantwortlichen weggeschwommen sind, vom Bund auch noch für teures Geld zurückkaufen muß. Man kann schon verstehen, wenn die Opposition in Person der Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig das mit einem einzigen Wort kommentiert: Schnarchnasen.
Autor: Dieter Blümmel