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Verletzung der Streupflicht durch Eigentümer
Mithaftung des Gestürzten nur bei schlechthin unverständlicher Sorglosigkeit
24.11.2025 (GE 18/2025, S. 898) Kommt der für die Verkehrssicherung verantwortliche Eigentümer seiner Räum- und Streupflicht nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er durch die Pflichtverletzung die maßgebliche Ursache für einen Unfall setzt, der sich infolge der nicht beseitigten Gefahrenlage ereignet. Eine überwiegende Mitverursachung des Geschädigten kann nur angenommen werden, wenn dessen Handeln von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist.
Der Fall: Die Klägerin verlangt vom beklagten Grundstückseigentümer Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung der Streupflicht. Am 8. Februar 2021 lag die Außentemperatur in H. um 0 °C. Die damals 80 Jahre alte Klägerin hat behauptet, sie sei an diesem Tag gegen 15.15 Uhr auf dem vereisten und deshalb durchweg spiegelglatten Bürgersteig vor dem Grundstück des Beklagten gestürzt. An der Sturzstelle habe sich eine derart dicke, nicht durch Schnee bedeckte Eisschicht gebildet, dass nach Einschätzung ihres als Zeuge vernommenen Begleiters seit Tagen nicht mehr gestreut worden sei. Die Eisglätte habe sie vor dem Sturz zwar noch bemerkt und unverzüglich die Straßenseite wechseln wollen, sie sei aber just in diesem Moment schon gestürzt. Ihr Begleiter sei ebenfalls hingefallen, habe sich jedoch nicht nennenswert verletzt. Der Beklagte hat behauptet, er habe am Morgen des 8. Februar 2021 die komplette Gehwegfläche vor seinem Anwesen geräumt und gestreut.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme ab- und das OLG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Voraussetzungen ihres Schadensersatzanspruchs nicht schlüssig dargetan. Eine Verletzung der Pflicht zur Bekämpfung der Eisglätte folge nicht schon allein aus einer Temperatur von 0 °C. Unabhängig davon liege ein Mitverschulden der Klägerin vor, das eine Haftung des Beklagten völlig ausschließe. Wer sich sehenden Auges den Gefahren eines nicht oder schlecht gestreuten Weges aussetze, obwohl ihm ein weniger gefährlicher Weg ohne Weiteres zur Verfügung stehe, sei für die Folgen eines Sturzes allein verantwortlich. Nach der Aussage des Begleiters sei der Weg auf der anderen Straßenseite gegen Glätte hinreichend geschützt gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OLG legte die Klägerin Beschwerde ein – mit Erfolg!
Die Entscheidung: Der Klägerin sei das rechtliche Gehör verweigert worden, urteilt der BGH. Richtig – und wovon auch das OLG ausgehe – sei, dass der Verletzte alle Umstände beweisen muss, aus denen sich eine schuldhafte Verletzung der Streupflicht ergibt. Er muss deshalb den Sachverhalt dartun und ggf. beweisen, dass zur Zeit des Unfalls aufgrund der Wetter-, Straßen- oder Wegelage bereits oder noch eine Streupflicht bestand und diese schuldhaft verletzt worden ist. Allerdings dürften die Anforderungen an diese Darlegungspflicht nicht überspannt werden.
Hier habe die Klägerin sich nicht mit dem Hinweis auf eine Temperatur von 0 °C begnügt, sondern Beweis durch Einholung eines meteorologischen Sachverständigengutachtens angeboten, dass es sich um eine allgemeine Glättebildung gehandelt habe. Tatbestandlich festgestellt sei zudem ihre Behauptung, der Bürgersteig vor dem Grundstück des Beklagten sei vereist und durchweg spiegelglatt gewesen. Ferner habe die Klägerin vorgetragen, der Bürgersteig vor den benachbarten Grundstücken sei gestreut gewesen, „hessenweit“ habe Glatteis geherrscht, es sei sogar zu Ausfällen des Präsenzunterrichts in Schulen, zum Stillstand des öffentlichen Verkehrs und zu chaotischen Zuständen des Straßenverkehrs gekommen. Das – die Darlegung einer allgemeinen Glättebildung – sei für die Schlüssigkeit der Klage ausreichend und hätte von den Vorinstanzen zur Kenntnis genommen und aufgeklärt werden müssen.
Der BGH teilte auch nicht die Auffassung der Vorinstanzen, dass jedenfalls auch ein Verschulden der gestürzten Klägerin vorliege, was eine Haftung des beklagten Grundstückseigentümers ausschließe. Eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen sei nur ausgeschlossen, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet sei.
Mindest-, aber nicht alleinige Voraussetzung für die Annahme einer schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit des Geschädigten bei „Glätteunfällen“ wegen Verletzung der Streupflicht sei demnach, dass sich dieser einer von ihm erkannten erheblichen Gefahr bewusst ausgesetzt habe. Hier habe die Klägerin die Gefahr aber erst im Moment des Sturzes erkannt.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 909 und in unserer Datenbank.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme ab- und das OLG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Voraussetzungen ihres Schadensersatzanspruchs nicht schlüssig dargetan. Eine Verletzung der Pflicht zur Bekämpfung der Eisglätte folge nicht schon allein aus einer Temperatur von 0 °C. Unabhängig davon liege ein Mitverschulden der Klägerin vor, das eine Haftung des Beklagten völlig ausschließe. Wer sich sehenden Auges den Gefahren eines nicht oder schlecht gestreuten Weges aussetze, obwohl ihm ein weniger gefährlicher Weg ohne Weiteres zur Verfügung stehe, sei für die Folgen eines Sturzes allein verantwortlich. Nach der Aussage des Begleiters sei der Weg auf der anderen Straßenseite gegen Glätte hinreichend geschützt gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OLG legte die Klägerin Beschwerde ein – mit Erfolg!
Die Entscheidung: Der Klägerin sei das rechtliche Gehör verweigert worden, urteilt der BGH. Richtig – und wovon auch das OLG ausgehe – sei, dass der Verletzte alle Umstände beweisen muss, aus denen sich eine schuldhafte Verletzung der Streupflicht ergibt. Er muss deshalb den Sachverhalt dartun und ggf. beweisen, dass zur Zeit des Unfalls aufgrund der Wetter-, Straßen- oder Wegelage bereits oder noch eine Streupflicht bestand und diese schuldhaft verletzt worden ist. Allerdings dürften die Anforderungen an diese Darlegungspflicht nicht überspannt werden.
Hier habe die Klägerin sich nicht mit dem Hinweis auf eine Temperatur von 0 °C begnügt, sondern Beweis durch Einholung eines meteorologischen Sachverständigengutachtens angeboten, dass es sich um eine allgemeine Glättebildung gehandelt habe. Tatbestandlich festgestellt sei zudem ihre Behauptung, der Bürgersteig vor dem Grundstück des Beklagten sei vereist und durchweg spiegelglatt gewesen. Ferner habe die Klägerin vorgetragen, der Bürgersteig vor den benachbarten Grundstücken sei gestreut gewesen, „hessenweit“ habe Glatteis geherrscht, es sei sogar zu Ausfällen des Präsenzunterrichts in Schulen, zum Stillstand des öffentlichen Verkehrs und zu chaotischen Zuständen des Straßenverkehrs gekommen. Das – die Darlegung einer allgemeinen Glättebildung – sei für die Schlüssigkeit der Klage ausreichend und hätte von den Vorinstanzen zur Kenntnis genommen und aufgeklärt werden müssen.
Der BGH teilte auch nicht die Auffassung der Vorinstanzen, dass jedenfalls auch ein Verschulden der gestürzten Klägerin vorliege, was eine Haftung des beklagten Grundstückseigentümers ausschließe. Eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen sei nur ausgeschlossen, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet sei.
Mindest-, aber nicht alleinige Voraussetzung für die Annahme einer schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit des Geschädigten bei „Glätteunfällen“ wegen Verletzung der Streupflicht sei demnach, dass sich dieser einer von ihm erkannten erheblichen Gefahr bewusst ausgesetzt habe. Hier habe die Klägerin die Gefahr aber erst im Moment des Sturzes erkannt.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 909 und in unserer Datenbank.
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