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Keine Mietminderung wegen Staub und Lärm?
Vom Eigentümer zu duldende Bauarbeiten auf Nachbargrundstück
06.01.2016 (GE 23/2015, S. 1500) Der Bundesgerichtshof hat unlängst entschieden (GE 2015, 849), dass Geräuschimmissionen von einem Bolzplatz auf dem Nachbargrundstück nicht zur Mietminderung berechtigen, wenn der Eigentümer diese ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten hinnehmen muss. Das Amtsgericht Schöneberg meint, nach diesem Urteil sei eine Minderung wegen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück ausgeschlossen.
Der Fall: Im Nachbarhaus fanden umfangreiche Bauarbeiten statt; nach Behauptung des Mieters wurde das Haus kernsaniert mit Veränderung der Grundrisse und Verlegung des Sanitärtrakts. Es seien Wände herausgerissen und Balkone abgeschlagen worden, so dass es zu einer erheblichen Staub- und Lärmbelästigung gekommen sei. Er minderte die Miete um 15 %; nach Beendigung des Mietverhältnisses rechnete der Vermieter mit den sich aus den Minderungen ergebenden Mietrückständen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters auf, der den vollen Kautionsbetrag mit der Zahlungsklage geltend machte.
Das Urteil: Mit Urteil vom 22. September 2015 wies das Amtsgericht Schöneberg die Klage ab und meinte, aus dem Bolzplatz-Urteil des BGH (GE 2015, 849) folge, dass auch bei Lärmbelästigungen durch eine Baustelle auf dem Nachbargrundstück keine Mietminderung möglich sei.
Anmerkung: Die„Begründung“ des Urteils des Amtsgerichts beschränkt sich auf ein wörtliches Zitat des BGH-Urteils über mehrere Seiten mit dem Zusatz, dass sich das Gericht dem anschließe. Ob das Urteil damit Entscheidungsgründe im Sinne des § 313 Abs. 3 ZPO enthält, ist mehr als fraglich, so dass schon deshalb ein Rechtsmittel Erfolg haben müsste. Jedenfalls ist die Begründung nicht tragfähig.
Das Urteil des BGH, das entgegen der bisherigen Rechtsprechung (Rechtsentscheid des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. Februar 1987 - GE 1987, 397 - und ihm folgend zahlreiche Instanzgerichte) das Risiko einer beeinträchtigten Gebrauchstauglichkeit zum Teil auf den Mieter verlagert, ist vielfach auf Kritik gestoßen (z. B. Börstinghaus, jurisPR-BGH, ZivilR 12/2015 Anm. 2), da tragender Grund der Entscheidung eine ergänzende Vertragsauslegung aus § 242 BGB ist, wobei mehr (vom Richter) in den Vertrag hineingelegt wird, als den wirklichen Willen der Parteien bei Vertragsschluss zu erforschen (§ 133 BGB). Das trifft aber auch auf die vor der Entscheidung des BGH herrschende Rechtsprechung zur konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung zu, die für ausreichend hielt, wenn der Mieter bei Vertragsschluss mit keinen zukünftigen Beeinträchtigungen rechnen musste.
Auf den ersten Blick scheint das Urteil des BGH einen Zirkelschluss zu enthalten: Eine Minderung der Miete ist dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter dafür keinen nachbarrechtlichen Ausgleich nach § 906 Abs. 2 BGB erhält, während der Ausgleichsanspruch dann entfällt, wenn keine (berechtigte) Minderung möglich ist. Klarer wird der Kern der Begründung allerdings durch die Erwägung (Rn. 42), dass ein Mangel durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann vorliegt, wenn der Eigentümer/ Vermieter diese nach § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden muss. Anders herum: Was der Vermieter entschädigungslos hinzunehmen hat, berechtigt den Mieter nicht zur Minderung. Maßgeblich ist also die Beurteilung nach § 906 BGB. Danach gilt:
a) Eine unwesentliche Beeinträchtigung kann der Vermieter nicht abwehren; dafür kommt auch keine Minderung in Betracht. Als unwesentlich gelten nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB auch Beeinträchtigungen, die sich innerhalb der festgelegten Grenz- oder Richtwerte oder den Verwaltungsvorschriften nach § 48 Bundesimmissionsschutzgesetz bewegen.
b) Eine wesentliche Beeinträchtigung, die nicht ortsüblich ist, kann der Vermieter dagegen nach §§ 906 Abs. 1, 1004 BGB abwehren. Eine Baustelle in der Nachbarschaft, die ohne die erforderlichen Genehmigungen eingerichtet wurde, ist nicht ortsüblich (vgl. BGH, NJW 1999, 356); hier kann der Mieter mindern. Die meisten Immissionsfälle betreffen allerdings legale Baustellen.
c) Eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung, die mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden kann, muss nach § 906 Abs. 2 BGB der Vermieter ebenfalls nicht dulden, etwa wenn technisch möglicher Lärmschutz nicht eingehalten wird. Auch hier ist eine Minderung möglich; die Fälle sind aber ebenfalls selten.
d) Eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung, die nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann, muss grundsätzlich der Eigentümer/Vermieter nach § 906 Abs. 2 BGB dulden. Das sind die Hauptfälle, denn Bauarbeiten stellen eine ortsübliche Nutzung dar (LG Berlin - 29 O 493/02 -, Urteil vom 15. August 2003, BeckRS 2003, 12867; LG Berlin, 12 O 47/06, Urteil vom 22. März 2007, BeckRS 2009, 17479). Hier kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht, wenn die Ertragseinbuße über das zumutbare Maß hinausgeht; der Ertragsverlust wird also nicht vollständig ersetzt (BGH, V ZR 45/87, NJW-RR 1988, 1291). Den Eigenanteil, den der Vermieter entschädigungslos hinnehmen musste, haben bisher für die Mietminderung die Gerichte mit 5 % (LG Berlin, GE 2011, 695), 6 % (LG Hamburg, NZM 1998, 169) und 10 % (LG Potsdam, 3 S 108/66, Urteil vom 19. April 2007 - juris -) angenommen. In seinem Bolzplatz-Urteil übernimmt der BGH die Wertung des § 906 BGB mit der Begründung, dass die Parteien dies nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Damit bleibt es in den Fällen, in denen die Minderung den Eigenanteil nicht übersteigt (kein Ausgleichsanspruch wegen des zumutbaren Eigenanteils), bei der Mietminderung, da dies der Wertung des § 906 BGB entspricht. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch erfasst dagegen die gewichtigeren, für den Vermieter unzumutbaren Mietminderungen.
Im vom Amtsgericht Schöneberg entschiedenen Fall lag eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung vor, die der Vermieter nicht abwehren konnte. Ihm stand dafür ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, da der Mieter wegen der geschilderten Gebrauchsbeeinträchtigungen berechtigterweise die Miete um 15 % minderte.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1536 und in unserer Datenbank)
Das Urteil: Mit Urteil vom 22. September 2015 wies das Amtsgericht Schöneberg die Klage ab und meinte, aus dem Bolzplatz-Urteil des BGH (GE 2015, 849) folge, dass auch bei Lärmbelästigungen durch eine Baustelle auf dem Nachbargrundstück keine Mietminderung möglich sei.
Anmerkung: Die„Begründung“ des Urteils des Amtsgerichts beschränkt sich auf ein wörtliches Zitat des BGH-Urteils über mehrere Seiten mit dem Zusatz, dass sich das Gericht dem anschließe. Ob das Urteil damit Entscheidungsgründe im Sinne des § 313 Abs. 3 ZPO enthält, ist mehr als fraglich, so dass schon deshalb ein Rechtsmittel Erfolg haben müsste. Jedenfalls ist die Begründung nicht tragfähig.
Das Urteil des BGH, das entgegen der bisherigen Rechtsprechung (Rechtsentscheid des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. Februar 1987 - GE 1987, 397 - und ihm folgend zahlreiche Instanzgerichte) das Risiko einer beeinträchtigten Gebrauchstauglichkeit zum Teil auf den Mieter verlagert, ist vielfach auf Kritik gestoßen (z. B. Börstinghaus, jurisPR-BGH, ZivilR 12/2015 Anm. 2), da tragender Grund der Entscheidung eine ergänzende Vertragsauslegung aus § 242 BGB ist, wobei mehr (vom Richter) in den Vertrag hineingelegt wird, als den wirklichen Willen der Parteien bei Vertragsschluss zu erforschen (§ 133 BGB). Das trifft aber auch auf die vor der Entscheidung des BGH herrschende Rechtsprechung zur konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung zu, die für ausreichend hielt, wenn der Mieter bei Vertragsschluss mit keinen zukünftigen Beeinträchtigungen rechnen musste.
Auf den ersten Blick scheint das Urteil des BGH einen Zirkelschluss zu enthalten: Eine Minderung der Miete ist dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter dafür keinen nachbarrechtlichen Ausgleich nach § 906 Abs. 2 BGB erhält, während der Ausgleichsanspruch dann entfällt, wenn keine (berechtigte) Minderung möglich ist. Klarer wird der Kern der Begründung allerdings durch die Erwägung (Rn. 42), dass ein Mangel durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann vorliegt, wenn der Eigentümer/ Vermieter diese nach § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden muss. Anders herum: Was der Vermieter entschädigungslos hinzunehmen hat, berechtigt den Mieter nicht zur Minderung. Maßgeblich ist also die Beurteilung nach § 906 BGB. Danach gilt:
a) Eine unwesentliche Beeinträchtigung kann der Vermieter nicht abwehren; dafür kommt auch keine Minderung in Betracht. Als unwesentlich gelten nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB auch Beeinträchtigungen, die sich innerhalb der festgelegten Grenz- oder Richtwerte oder den Verwaltungsvorschriften nach § 48 Bundesimmissionsschutzgesetz bewegen.
b) Eine wesentliche Beeinträchtigung, die nicht ortsüblich ist, kann der Vermieter dagegen nach §§ 906 Abs. 1, 1004 BGB abwehren. Eine Baustelle in der Nachbarschaft, die ohne die erforderlichen Genehmigungen eingerichtet wurde, ist nicht ortsüblich (vgl. BGH, NJW 1999, 356); hier kann der Mieter mindern. Die meisten Immissionsfälle betreffen allerdings legale Baustellen.
c) Eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung, die mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden kann, muss nach § 906 Abs. 2 BGB der Vermieter ebenfalls nicht dulden, etwa wenn technisch möglicher Lärmschutz nicht eingehalten wird. Auch hier ist eine Minderung möglich; die Fälle sind aber ebenfalls selten.
d) Eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung, die nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann, muss grundsätzlich der Eigentümer/Vermieter nach § 906 Abs. 2 BGB dulden. Das sind die Hauptfälle, denn Bauarbeiten stellen eine ortsübliche Nutzung dar (LG Berlin - 29 O 493/02 -, Urteil vom 15. August 2003, BeckRS 2003, 12867; LG Berlin, 12 O 47/06, Urteil vom 22. März 2007, BeckRS 2009, 17479). Hier kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht, wenn die Ertragseinbuße über das zumutbare Maß hinausgeht; der Ertragsverlust wird also nicht vollständig ersetzt (BGH, V ZR 45/87, NJW-RR 1988, 1291). Den Eigenanteil, den der Vermieter entschädigungslos hinnehmen musste, haben bisher für die Mietminderung die Gerichte mit 5 % (LG Berlin, GE 2011, 695), 6 % (LG Hamburg, NZM 1998, 169) und 10 % (LG Potsdam, 3 S 108/66, Urteil vom 19. April 2007 - juris -) angenommen. In seinem Bolzplatz-Urteil übernimmt der BGH die Wertung des § 906 BGB mit der Begründung, dass die Parteien dies nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Damit bleibt es in den Fällen, in denen die Minderung den Eigenanteil nicht übersteigt (kein Ausgleichsanspruch wegen des zumutbaren Eigenanteils), bei der Mietminderung, da dies der Wertung des § 906 BGB entspricht. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch erfasst dagegen die gewichtigeren, für den Vermieter unzumutbaren Mietminderungen.
Im vom Amtsgericht Schöneberg entschiedenen Fall lag eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung vor, die der Vermieter nicht abwehren konnte. Ihm stand dafür ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, da der Mieter wegen der geschilderten Gebrauchsbeeinträchtigungen berechtigterweise die Miete um 15 % minderte.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1536 und in unserer Datenbank)
Autor: Rudolf Beuermann
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