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Asbesthaltige Fußbodenplatte: Mängelanzeige des Mieters ist Voraussetzung für Schadensersatz
Zwischen allgemeinem Lebensrisiko und Mangel der Mietsache
23.04.2014 (GE 7/14, 430) Früher wurde Asbest vielfach im Bau eingesetzt (Spritzasbest und Asbestzementprodukte), was nach § 18 GefStoffV und der Asbestrichtlinie heute weit gehend verboten ist, da ein Grenz- oder Schwellenwert für eine Gesundheitsgefährdung nicht festgestellt werden kann. Theoretisch kann schon eine einzige Asbestfaser einen Rippenfelltumor auslösen. Andererseits findet sich in der Umwelt auch eine gewisse Asbestbelastung, die als allgemeines Lebensrisiko von jedermann hinzunehmen ist. Jedenfalls kann eine Freisetzung von Fasern bei fest gebundenem Asbest nur unter mechanischer Beanspruchung stattfinden, was Auswirkungen auf etwaige Rechte und Pflichten des Mieters hat.

Asbesthaltige Fußbodenplatte: Mängelanzeige des Mieters ist Voraussetzung für Schadensersatz

DER FALL: Die Kläger hatten 1994 eine Zweizimmerwohnung im Hause Schlangenbader Straße (Autobahnüberbauung) gemietet; in der Wohnung waren Vinyl-Asbest-Platten verlegt. Nach Pressemeldungen über Asbestbelastungen übersandte die Vermieterin den Mietern ein Informationsschreiben mit Hinweisen; nach einer Mängelanzeige der Mieter im Jahr 2013 veranlasste die Vermieterin eine Sanierung der Wohnung; die Mieter zogen vorübergehend aus.
Die betagten Mieter verlangten Schadensersatz und Schmerzensgeld, da sie ihre zum Teil schwerwiegenden Erkrankungen wie Prostatakrebs auf eine kontinuierliche und jahrelange Asbestbelastung zurückführten; sie behaupteten, schon bei Vertragsbeginn seien die Fußbodenplatten beschädigt gewesen, so dass Fasern hätten austreten können. Sie reichten Fotos ein, wonach vor der Entfernung die Platten teilweise gebrochen, angerissen oder angeschnitten waren. Die Vermieterin berief sich darauf, dass sie nach der Mängelanzeige unverzüglich tätig geworden war.

DAS URTEIL: Mit Urteil vom 10. März 2014 wies das AG Charlottenburg die Klage der Mieter ab. Es fehle schon an einem schlüssigen Vortrag, dass die Erkrankungen ursächlich auf die Asbestbelastung in der Wohnung zurückzuführen seien. Die bloße Möglichkeit reiche nicht, zumal in den Luftmessungen eine Schadstoffbelastung kaum nachzuweisen gewesen sei. Ursache für die Erkrankung könne auch„der normale körperliche Verfall bei fortgeschrittenem Lebensalter sein“. Jedenfalls fehle es an einem Verschulden der Vermieterin, da sie auf die Mängelanzeige aus dem Jahr 2013 unverzüglich tätig geworden sei.
Dass die Fußbodenplatten schon bei Beginn des Mietverhältnisses beschädigt und gebrochen waren, sei nicht unter Beweisantritt dargelegt. Eine Aufklärungspflicht habe für die Vermieterin nicht bestanden, da die Mieter zu eigenmächtigen Arbeiten an Fußbodenplatten nicht berechtigt seien, so dass die Rechtsprechung des BGH zur Aufklärungspflicht eines Hausverkäufers hier nicht einschlägig sei.

ANMERKUNG: Die Entscheidung ist auch deshalb lesenswert, weil in dem Vorbringen sowohl des Vermieters als auch der Mieter fast lehrbuchartig alle denkbaren Argumente und Gegenargumente aufgelistet sind. Demnächst ist in Sachen Asbest auch ein klärendes Wort des Bundesgerichtshofs zu erwarten. Der BGH hat für den 2. April die Revision (VIII ZR 19/13) der von uns veröffentlichten Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 - 65 S 200/12 - (GE 2013, 352) verhandelt; ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
In dem zum BGH gelangten Fall hatten die Kläger (Mieter) die Feststellung begehrt, dass die beklagte Vermieterin verpflichtet sei, ihnen alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen aus der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen bereits entstanden waren und/oder als Spätfolgen noch entstehen würden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen. Das AG hatte die Klage als unbegründet abgewiesen, das Landgericht hatte ihr stattgegeben. Das erforderliche Feststellungsinteresse hatte das LG mit der Erwägung bejaht, es könne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein künftiger Schaden entstehe. Die Klage sei auch begründet, weil der Handwerker der Beklagten vorgeschriebene Sicherheitsvorschriften missachtet habe. Durch die unterlassene Staubbindung beim Entfernen der Flexplatten sei die konkrete Gefahr begründet worden, dass ungebundene Asbestfasern in die Luft gelangt seien und sich in Lunge oder Rippenfell der Kläger festgesetzt hätten.

AG Charlottenburg, Wortlaut GE 2014 Seite 469