Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Recht  →  Öffentliches Recht


Ausübung auch bei nur spekulativen Befürchtungen?
Vorkaufsrecht
15.06.2018 (GE 11/2018, S. 664) Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk zugunsten einer Wohnungsbaugesellschaft des Landes Berlin für ein Mehrfamilienhausgrundstück im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung „Chamissoplatz“ in Kreuzberg war nach Auffassung des VG Berlin rechtens.
Der Bezirk begründete seine Entscheidung damit, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts in dem Milieuschutzgebiet der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung diene. Nach Auslaufen der durch einen Fördervertrag begründeten Bindungen seien erhebliche Mietsteigerungen sowie der Umbau oder die Umwandlung in Teil- und Wohnungseigentum zu befürchten. Dafür spreche u. a., dass die Klägerin die angebotene Abwendungsvereinbarung nicht unterschrieben habe.
Die Klägerin machte dagegen u. a. geltend, das Vorkaufsrecht sei ausgeschlossen, weil das Grundstück entsprechend der Erhaltungsverordnung genutzt werde. Die förderrechtlichen Bindungen liefen erst im Juli 2026 aus. Es gebe in Milieuschutzgebieten weder ein Bedürfnis für die Ausübung eines Vorkaufsrechts noch sei dieses durch das Allgemeinwohl gerechtfertigt.
Das VG Berlin hat die Klage abgewiesen. Der Bezirk dürfe das Vorkaufsrecht ausüben, weil zu befürchten sei, dass die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung ohne die Ausübung des Vorkaufsrechts im konkreten Fall gefährdet ist. Das Vorkaufsrecht sei nicht ausgeschlossen. Es komme nicht nur darauf an, dass das Grundstück gegenwärtig den Zielen der Erhaltungsverordnung gemäß genutzt werde, sondern ob die zukünftige Entwicklung deren Zielen entspreche. Das sei hier nicht der Fall, da das Gebiet unter starkem Investitionsdruck stehe, die Mieten niedrig seien und die Umwandlung in Eigentumswohnungen zu befürchten sei.
Gegen das Urteil, das im Wortlaut noch nicht vorliegt, kann – und wird hoffentlich – die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden, weil die Frage, ob rein spekulative Befürchtungen, dass ein Käufer eine Immobilie in zehn Jahren nicht mehr entsprechend der Erhaltungsverordnung nutzen werde, die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt, höchstrichterlich geklärt werden muss.

VG Berlin vom 17. Mai 2018 - VG 13 K 724.17 -


Links: