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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Gesetzesverstoß, aber kein Revisionsgrund
Urteil im Dienstzimmer des Richters „verkündet“
12.03.2018 (GE 03/2018, S. 163) Wenn ein Urteil nicht gleich am Schluss der Sitzung als „Stuhlurteil“ verkündet wird, ist ein besonderer Verkündungstermin anzuberaumen. In diesem können die Parteien zwar anwesend sein, sind es meist aber nicht, weswegen die Praxis die Formalien lax handhabt. Das ist, selbst wenn der Richter schwindelt, unschädlich, wie der BGH entschieden hat.
Der Fall: Im Protokoll über die Urteilsverkündung hieß es, dass das Urteil in Anwesenheit der drei Kammermitglieder in öffentlicher Verhandlung verkündet worden sei. In Wahrheit war es im Dienstzimmer des Vorsitzenden von ihm allein „verkündet“ worden. Die Mieterin, die zur Räumung verurteilt worden war, hatte vergeblich versucht, zum Verkündungstermin in den verschlossenen Sitzungssaal zu gelangen. Ihre Rechtsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war erfolglos.

Der Beschluss: Der BGH verwies darauf, dass auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse den wirksamen Erlass eines Urteils nicht verhindern, wenn das Urteil vom Gericht „verlautbart“ werden sollte und die Parteien davon förmlich unterrichtet wurden. Das sei hier der Fall gewesen, denn das Urteil sei den Parteien zugestellt worden, und auch die Mieterin sei auf ihre Nachfrage informiert worden. Aus Gründen der Rechtssicherheit könne nicht jeder Verkündungsmangel dazu führen, dass ein Urteil als Scheinurteil einzuordnen sei, dessen Nichtexistenz noch nach Jahren geltend gemacht werden könne. Unschädlich sei also die Verkündung des Urteils durch den Vorsitzenden allein, auch wenn im Protokoll die Anwesenheit der Beisitzer vermerkt sei oder die Verkündung an einem anderen Termin oder einem anderen Ort als den Parteien mitgeteilt stattgefunden habe.

Anmerkung der Redaktion: Unschädlich ist auch, wenn im Verkündungstermin entgegen § 310 ZPO das Urteil noch nicht in vollständiger Form, also mit Entscheidungsgründen, vorliegt. Es reicht eine schriftlich niedergelegte Urteilsformel (Urteilstenor), jedenfalls theoretisch. Denn ob auch diese fehlte, kann niemand überprüfen. Dem BGH war es offenbar wichtig, auf die Unschädlichkeit der Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse (noch einmal) hinzuweisen, denn eigentlich hätte er die Beschwerde als unzulässig zurückweisen können (oder müssen), weil die Wertgrenze von 20.000 € nach § 26 Nr. 8 EGZPO nicht überschritten war. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war vom BGH auf etwas mehr als 9.000 € festgesetzt worden.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2018, Seite 191 und in unserer Datenbank.


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