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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Grundsätzlich kein Mietmangel?
Baulärm vom Nachbargrundstück
16.02.2018 (GE 01/2018, S. 23) Im Anschluss an die "Bolzplatz-Entscheidung" des BGH (GE 2015, 849: Kinderlärm ist hinzunehmen) wird vielfach auch eine Mietminderung wegen Baulärms in der Nachbarschaft ausgeschlossen (z. B. AG Schöneberg, GE 2015, 1536). So auch das AG Köpenick - allerdings mit Ausnahmen.
Der Fall: In der Nachbarschaft der Mietwohnung waren zwei Großbaustellen eingerichtet, die zu einer erheblichen Lärmbelästigung führten. Die Vermieterin räumte für 15 Tage eine Mietminderung von 20 % ein, lehnte jedoch eine weitere von der Mieterin beanspruchte Minderung ab. Die Klage auf Feststellung der Berechtigung zur Mietminderung wurde abgewiesen.

Das Urteil: Das AG Köpenick meinte unter Bezugnahme auf die Bolzplatz-Entscheidung, die Parteien hätten keine Beschaffenheitsvereinbarung dahin getroffen, dass der Standard hinsichtlich der Geräuschimmissionen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gelten solle. Das Risiko für Mieter und eigennutzende Eigentümer sei vielmehr nach § 906 BGB zu beurteilen; eine wesentliche ortsübliche Beeinträchtigung müsse der Eigentümer grundsätzlich dulden. Wenn der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen müsse, komme auch eine Minderung nicht in Betracht.

Anmerkung: Durch die Verknüpfung von Mietrecht (§ 536 BGB) mit dem Sachenrecht (§ 906 BGB) durch den BGH entsteht das Dilemma, dass die Minderung dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Vermieter dafür keinen nachbarrechtlichen Ausgleich erhält, während der Ausgleichsanspruch dann entfällt, wenn keine berechtigte Minderung möglich ist (kritisch zur BGH-Rechtsprechung auch Eisenschmid NZM 2016, 841). Ein Entschädigungsanspruch besteht auch nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn die Beeinträchtigung über das zumutbare Maß hinausgeht (BGHZ 62, 361; BGH, NJW-RR 1988, 1291) oder übermäßig ist (BGHZ 91, 20). Wann das der Fall ist, bleibt unklar. Auch das Amtsgericht Köpenick hält eine Mietminderung für besonders lärmintensive Arbeiten für berechtigt. Wo die Grenze zu ziehen ist, bleibt ebenso offen wie auch die Frage, ob neben einem etwaigen Mietminderungsanspruch gegen den Vermieter der Mieter nicht auch einen Anspruch auf nachbarrechtlichen Ausgleich gegen den Baustellenbetreiber geltend machen kann. Solche Ausgleichsansprüche des Mieters bei Besitzstörungen sind vom BGH grundsätzlich anerkannt (GE 2001, 764). Rudolf Beuermann

Anmerkung der Redaktion: Das LG (ZK 18/64) sah das anders (GE 2017, 1516) und merkte u. a. an, dass die Interessenlagen zwischen benachbarten Eigentümern und Mietvertragsparteien unterschiedlich sein können, etwa weil ein Nachbar, der sich durch eine Baustelle gestört fühlt, zukünftig vergleichbare Bauarbeiten auf seinem Grundstück durchführen lassen könnte.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2018, Seite 61 und in unserer Datenbank.


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