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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Auch bei erheblichen Mietrückständen kein Teilurteil auf Räumung zulässig?
Möglicherweise Verfahrensmangel, aber kein Revisionsgrund
03.10.2017 (GE 17/2017, S. 990) Bei einer Klage auf Mietzahlung und Räumung wendet der Mieter häufig Gegenrechte (Minderung, Zurückbehaltung) ein, die grundsätzlich vom Gericht zu prüfen sind; auch bei erheblichen Mietrückständen darf nicht vorab durch Teilurteil auf Räumung entschieden werden. Wenn ein Instanzgericht dennoch durch Teilurteil auf Räumung erkennt, liegt darin aber kein Revisionszulassungsgrund.
Der Fall: Der Kläger hatte eine Doppelhaushälfte gemietet; Vermieterin war die Beklagte zu 1 als Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft. Der Kläger machte verschiedene Mietmängel geltend und meinte, auch die Miterben seien Vermieter, ebenso nach Veräußerung der zweiten Doppelhaushälfte die Erwerber nach § 566 BGB analog. 
Nachdem der Kläger seit Oktober 2013 keine Miete mehr zahlte, sondern bestimmte Beträge hinterlegt hatte, kündigte die Beklagte zu 1 im August 2015 das Mietverhältnis fristlos. Im Prozess auf Beseitigung der behaupteten Mängel erhob die Beklagte zu 1 Widerklage auf Räumung, über die durch Teilurteil entschieden wurde. Die Berufung war erfolglos, ebenso wie die Nichtzulassungsbeschwerde und der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung beim BGH.

Der Beschluss: Der Bundesgerichtshof verwies darauf, dass eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht komme, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg habe. So liege es hier, denn auch wenn der Erlass des Teilurteils unzulässig gewesen sein sollte, läge in einem solchen Verfahrensfehler kein Revisionszulassungsgrund. Eine Gehörsverletzung oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz komme nicht in Betracht. Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass nur die Beklagte zu 1 Vermieterin sei, und dass die Hinterlegung der Mieten keine Erfüllung darstellte, so dass ein Rückstand von mindestens zwei Monatsmieten bestanden habe.

Anmerkung: Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist kein Grund für die Zulassung der Revision, auch wenn das rechtsstaatlich bedenklich ist (vgl. Ball in Musielak/Voit, 14. Auflage 2017, Rn. 9 zu § 543 ZPO unter Berufung auf BVerfG NJW 2001, 2163). Nötig sind vielmehr schwerwiegende Verfahrensverstöße wie Beeinträchtigung des Rechtsschutzes oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot sowie das Vorliegen der absoluten Revisionsgründe in § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO (Mitwirkung von ausgeschlossenen Richtern). Ein unzulässiges Teilurteil stellt zwar einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt (BGHZ 189, 356); Voraussetzung ist aber, dass ein Zulassungsgrund für die Revision bestand, was der BGH in seinem Beschluss verneint.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings (Urteil vom 12. Dezember 2007, VIII ZR 269/06, GE 2008, 261) in einem vergleichbaren Fall ein Teilurteil auf Räumung für unzulässig angesehen, nachdem er die Revision zugelassen hatte. Eine Begründung für die Revisionszulassung enthält das Urteil nicht. Auch die jetzt vom VIII. Senat zitierten entgegenstehenden Entscheidungen des IX. und VII. Senats enthalten keine Begründung.
In dem Urteil vom 12. Dezember 2007 wird auf die Gefahr widersprechender Entscheidungen nach dem Teilurteil hingewiesen; in welchem Umfang Mietrückstände und Gegenrechte des Mieters vorgetragen wurden, ist im Urteil nicht wiedergegeben. Daraus wird oft gefolgert, dass ein Teilurteil immer unzulässig ist, so dass über Minderungsansprüche „bis zum letzten Cent“ entschieden werden müsse, ehe ein Räumungsurteil ergehen könne (Zehelein NJW 2017, 41). 
Wenn allerdings die Mietrückstände derart erheblich sind und die Gegenrechte des Mieters (als zutreffend unterstellt) so gering einzuschätzen sind, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen konkret nicht besteht, muss ein Teilurteil auf Räumung zulässig sein, wie es das Landgericht München angenommen hatte. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn der Bundesgerichtshof, auch unter Erwähnung seiner eigenen Entscheidung vom 12. Dezember 2007, dies klargestellt hätte.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 1016 und in unserer Datenbank
Autor: Rudolf Beuermann


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