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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Kündigung nach tätlichem Angriff auf den Hauswart
Auch bei nichtigem und auf einem Missverständnis beruhenden Anlass
11.09.2017 (GE 16/2017, S. 924) Nimmt der Mieter einen möglicherweise auf einem Missverständnis beruhenden nichtigen Anlass als Grund für einen tätlichen Angriff auf den Hauswart, kann diese Tätlichkeit, unabhängig davon, welche Verletzungen der Hauswart oder der gewalttätige Mieter selbst dabei erlitten hat, eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Der Fall: Zwischen einem Mieter und dem Hauswart war es zu Tätlichkeiten gekommen. Anlass war offenbar, dass der Hauswart Autos, welche den Zugang zum Müllplatz verstellten, zu Beweiszwecken fotografierte. Die Klägerin kündigte aufgrund des Vorfalls fristlos und verlangt Räumung und Herausgabe der Wohnung; der beklagte Mieter behauptet zur – unstreitigen – tätlichen Auseinandersetzung mit dem Hauswart, dieser habe ihn tätlich angegriffen. Als Zeugen hat er seinen Schwager benannt, der auch nach den Angaben des Hauswarts wesentliche Teile des Geschehens beobachtet und dem Hauswart danach sogar Hilfe geleistet hatte, aber im Prozess die Aussage verweigerte. Das AG hat antragsgemäß verurteilt, die Berufung hatte keinen Erfolg.

Der Beschluss: Es könne, so das Landgericht, im Mietverhältnis, das in besonderem Maße auf gegenseitiger Rücksichtnahme beruhe, nicht hingenommen werden, wenn ein Hauswart, der vom Vermieter auch im Interesse der Mieter eingesetzt werde, um die Erfüllung seiner mietvertraglichen Pflichten sicherzustellen, mit tätlichen Angriffen der Mieter rechnen müsse, wenn er eben diesen Pflichten nachkomme. 
Eine – möglicherweise sogar auf einem Missverständnis beruhende – Tätlichkeit aus nichtigem Anlass gegenüber dem Hauswart rechtfertige eine fristlose Kündigung, weil die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar sein könne. Ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist, müsse aufgrund aller in Betracht kommenden Umstände geklärt werden. 
Streitig sei nur, wer mit der Tätlichkeit angefangen habe. Der Beklagte habe für seine Behauptung, der Hauswart habe ihn tätlich angegriffen, seinen Schwager als Zeugen benannt, dieser habe aber die Aussage verweigert. Somit sei nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht unter diesen Voraussetzungen dem Hauswart geglaubt habe.
Vor diesem Hintergrund könne auch offen bleiben, welche Verletzungen der Hauswart tatsächlich erlitten habe (der Beklagte hatte solche überhaupt bestritten), denn der tätliche Angriff rechtfertige den Ausspruch der fristlosen Kündigung, ohne dass es darauf im Einzelnen ankäme. Gleiches gelte für die Frage, ob und welche Verletzungen der Beklagte selbst bei seinem Angriff auf den Hauswart erlitten habe. 
Der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beklagten bindet das Zivilgericht auch nicht, schon weil im Strafprozess – anders als im Zivilrechtsstreit – der Grundsatz in dubio pro reo gilt und eine Verurteilung danach nur stattfindet, wenn das Gericht keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten hat.
Großzügig verlängerte das Landgericht die Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2017. Zwar komme es für eine Verlängerung der Räumungsfrist darauf an, ob der Mieter die laufende Miete bzw. Nutzungsentschädigung entrichte und sich hinreichend um Ersatzwohnraum bemühe. Das Erstere geschehe, denn die Nutzungsentschädigung werde vom JobCenter pünktlich und in der geschuldeten Höhe an die Vermieterin überwiesen. Letzteres – Bemühen um Ersatzwohnraum – sei von Mieterseite nicht dargelegt, sondern nur allgemein behauptet worden, Wohnungsanfragen seien vor dem Hintergrund der Größe der Familie abschlägig beschieden worden. 
Die vorliegend räumungsbetroffene Familie, die durch das Jugendamt und einen Einzelfallhelfer betreut wurde, hätte die zuständigen Behörden – hier das Sozialamt – von der bevorstehenden Räumung in Kenntnis setzen und die Hilfen – wie etwa das geschützte Marktsegment – in Anspruch nehmen müssen, die der Sozialstaat bereithalte. Mit Blick auf die betroffenen Kinder solle die Familie dies in der verlängerten Räumungsfrist nachholen dürfen.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 952 und in unserer Datenbank


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