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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Erhebungsstichtag nach Zugang der Mieterhöhung kann maßgeblicher Zeitpunkt für Mietermittlung sein
Mieterhöhungsverlangen mit Mietspiegel
01.03.2017 (GE 03/2017, S. 139) Die Annahme, maßgeblich sei der Mietspiegel, dessen Erhebungsstichtag zeitlich vor dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens beim Mieter liegt, ist nicht zwingend. Liegt die Datenerhebung zeitnah nach dem Zugang beim Mieter, können die Daten eines Folgemietspiegels wegen besserer Aktualität zur Mietermittlung herangezogen werden.
Der Fall: Der Vermieter verlangte von seinem Mieter mit Schreiben vom 26. November 2014 unter Heranziehung des Mietspiegels der Stadt Aachen 2014 die Zustimmung zur Mieterhöhung (Zustellungsdatum im Urteil nicht angegeben). Das Amtsgericht verurteilte den Mieter nach Beweiserhebung nach sachverständiger Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mit dem Mietspiegel aus Aachen für das Jahr 2015. Dagegen Berufung der Mieter.

Das Urteil: Das LG Aachen wies die Berufung zurück. Das Amtsgericht habe zu Recht den Mietspiegel 2015 zugrunde gelegt. Die vorliegend allein relevante rechtliche Frage, welcher Mietspiegel zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen sei, wenn dem maßgeblichen Erhöhungsverlangen noch ein anderer Mietspiegel zugrunde liege als der, der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung relevant sei, werde in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. 
Das Kammergericht (GE 2010, 60) habe entschieden, dass ein späterer Mietspiegel grundsätzlich keine Relevanz für die Berechtigung eines vorangegangenen Mieterhöhungsverlangens entfalte, wenn der Erhebungsstichtag des neuen Mietspiegels zeitlich nach dem Zugang des maßgeblichen Mieterhöhungsverlangens liege. Die Rechtsprechung sei dem teilweise gefolgt. Die Kommentierung von Börstinghaus (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, § 558d Rn. 46) dagegen stehe auf dem Standpunkt, es sei in jedem Fall der spätere Mietspiegel heranzuziehen, weil er die bessere Erkenntnisquelle für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete darstelle.
Eine vermittelnde Position verträten Emmerich (in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 558c Rn. 17) und Artz (in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2016, § 558c Rn. 10). Danach bestünden keine Bedenken gegen die Verwertung eines neuen Mietspiegels, sofern dieser tauglichere Aussagen für den in Rede stehenden (Mieterhöhungs-) Zeitraum enthalte, weil sein Datenmaterial diesen Zeitraum mit umfasse. 
Für den vorliegenden Fall bedürfe es keiner Entscheidung zwischen diesen Auffassungen. Denn sie würden alle zu demselben Ergebnis führen, nämlich der Anwendbarkeit des Folgemietspiegels für das Jahr 2015. Hier bestehe die Besonderheit, dass das Mieterhöhungsverlangen vom 26. November 2014 stamme und damit sehr kurz vor der zeitlichen Geltung des Mietspiegels 2015 zugestellt worden sei. Es sei unstreitig, dass für den Mietspiegel 2015 Daten bis etwa Mitte Dezember 2014 erhoben worden seien. Vor diesem Hintergrund habe das Gericht keine Zweifel, dass die erhobenen und ausgewerteten Daten auch bzw. schon die ortsübliche Vergleichsmiete bei Zugang des Mieterhöhungsverlangens abbilden würden. Die danach zu treffende Zugrundelegung des Mietspiegels 2015 habe im Ergebnis und unter zutreffender Würdigung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens zur Festlegung der geschuldeten ortsüblichen Vergleichsmiete geführt.

Anmerkung: Das Urteil widerspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nach BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 41/05, GE 2006, 46 muss das Gericht den Mietspiegel anwenden, dessen Erhebungsstichtag sich auf den Zugang des Mieterhöhungsverlangens bezieht. Das ist auch verfassungsgemäß (BVerfG, WuM 1992, 48). 
Dem folgt Börstinghaus aaO. grundsätzlich auch, favorisiert dann jedoch auch bei einer im Verhältnis zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens zeitnahen neuen Datenerhebung die Maßgeblichkeit eines Folgemietspiegels. Dabei werden jedoch keine näheren Ausführungen für den zeitlichen Rahmen gemacht. 
Die Ansicht des BGH führt zu einer transparenten Regelung, auf die sich die Mietvertragsparteien einstellen können, und bringt die erforderliche Rechtssicherheit. Das zeigt auch das vorliegende Urteil, in dem der Vortrag des Vermieters im Berufungsverfahren, Daten seien „bis etwa Mitte Dezember 2014“ erhoben worden, als unstreitig angesehen wurde. Dabei sei der entsprechende Erhebungsstichtag des Mietspiegels „leider“ nicht angegeben worden.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 177 und in unserer Datenbank
Autor: Klaus Schach


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